Apple, das Tablet und der Sex

Von am 23. Februar 2010 1 Kommentar 

Apple wirft reihenweise Bikinimädchen aus dem App Store, lässt aber Playboy & Co weitermachen. Die Zensur mit doppelten Maßstäben hat Methode. Apple fürchtet offenbar um den lukrativen Bildungsmarkt, denn das iPad soll über die Klassenzimmer kommen und ein sauberes Familientablet sein. Die Disney-fizierung von Apple hat begonnen.

Rausgeflogen sind vor allem Apps in der Kategorie der Bildzeitung, deren „BILD-Girl“ durch Schütteln des iPhones seiner Kleider beraubt wird. Von 6.000 Apps ist inzwischen die Rede, die der Säuberungswelle zum Opfer fielen. Der Springer-Konzern muss wohl dennoch nicht um diese wertige Anwendung fürchten, denn Apple misst klar mit verschiedenen Maßstäben. Die Apps von Playboy, die Swimsuit-Ausgabe von Sports Illustrated und vermutlich auch die BILD-App dürfen bleiben. Der für Apples Marketing verantwortliche Phil Schiller mäanderte auf Nachfrage der New York Times, warum beispielsweise die heiße Bikinimädchen-App der Zeitschrift Sports Illustrated bleiben dürfe. Apple berücksichtige eben auch die Herkunft und die Absicht einer Anwendung, ließ er wissen:

„Der Unterschied besteht darin, dass es ein bekanntes Unternehmen ist mit zuvor veröffentlichten Inhalten, die breit verfügbar sind in einem gut akzeptierten Format.“

Das bekommen unabhängige Entwickler ganz anders zu hören. Sie bekommen vielmehr von neuen Richtlinien erzählt, denen ihre Apps zum Opfer fielen. Verboten sind demnach grundsätzlich Frauen im Bikini, jegliche erotische Anspielungen, Wörter wie Boobs, Babes oder Sex, alles offenkundig Sexuelle und natürlich alles, was erregen könne.

„Kaum gewagter als im Disney Channel“

Darunter fielen auch Skurillitäten wie die Anwendung Wobble iBoobs, die nicht einmal eigene Abbildungen mitbringt. Sie setzt lediglich weibliche (oder vielleicht auch männliche) Brüste auf einem bewegten iPhone in wogende Bewegung, und das nur mit Abbildungen, die der Anwender selbst einbringt. Nicht einmal Haut sei erlaubt, bekam der Anwender dieser App von Apples Zensor zu hören – der dann noch eingeschnappt reagierte auf die Frage, ob denn eine Burka akzeptabel sei.

Säuberungswelle bei Apple: 4.000 Apps an einem Tag entfernt

Eine der getilgten Apps war „Sexy Scratch Off“ und harmloser als das, was Springer mit dem BILD-Girl macht: Fingergesten wischen die Kleidung beiseite und lassen das Model in sexy Unterwäsche strahlen. Eine andere entfernte Anwendung war schlicht ein Schiebe-Puzzle, um das Bild einer knapp bekleideten Darstellerin zu ordnen.

Einer kleinen Softwarefirma namens On the Go Girls strich Apple alle 50 zuvor im App Store verfügbaren Anwendungen und damit ohne jede Vorankündigung alle Einnahmen. Mitinhaber Fred Clarke: „Ich bin schockiert. Wir zeigen Sachen, die kaum gewagter sind als im Disney Channel.“

„Die Marke muss blitzsauber bleiben“

Wenn Apple etwas macht, muss es natürlich einen Sinn haben. Die ersten Analysten machen sich einen Kopf, wie sinnig das denn sein könnte. Gene Munster von Piper Jaffray: „Letztendlich hat Apple eine Marke zu pflegen. Und unter dem Strich wollen sie dieses Bild blitzsauber haben.“

Apples offizielle Erklärungen verweisen stets auf Beschwerden von Kunden, auf die man reagiere. Die angebliche Beschwerdeflut scheint jedoch teilweise durch einen puritanischen Elternverband organisiert, der in den USA in ähnlicher Weise TV-Sender und andere Medien zu beeinflussen sucht.

Analyst Munster zufolge ist es das iPad, das seinen Schatten vorauswirft, da es eine breitere Plattform für die bislang für iPhone und iPod touch verfügbaren Anwendungen bieten soll. Es setze die Messlatte höher für die Kontrolle des App Store.

Apple nähert sich mit diesem Kotau dem Bildungswesen, das als potenzieller Einstiegsmarkt für das Tablet ausgemacht wurde, nimmt VentureBeat an. Das Tablet soll traditionelle Schulbücher ersetzen und sich auf diesem Weg in die Wohnzimmer verbreiten, einen ganz breiten Markt über Technik-Enthusiasten hinaus finden. Diese Strategie verlockte bereits den Apple-Veteranen Matt MacInnis, das Unternehmen zu verlassen und ein Startup für iPad-Schulbücher zu gründen.

Apple scheint zu fürchten, dass das Tablet ohne eine solche Strategie niemals abhebt. Die offenbar zunehmend beliebten kleinen Sex-Apps erschienen Apple auf diesem Weg offenbar hinderlich, da es Schulen und Eltern zögern lassen könnte. Die große App-Store-Säuberung, der seit Mitte letzter Woche rund 6.000 Anwendungen zum Opfer fielen, wäre demnach als Marketing-Maßnahme für das blitzsaubere Schulbuch-Tablet zu sehen (obwohl schon der Name iPad dafür nicht eben optimal erscheint).

Selbst das fehlende Multitasking ergäbe in diesem Zusammenhang Sinn, fällt Kim-Mai Cutler von VentureBeat ein, verhindere es doch unnötige Ablenkungen im Klassenzimmer.

Die Swimsuit-App von Sports Illustrated aber wird weiterhin mehr nackte Haut zeigen dürfen als viele der entfernten Anwendungen. Das Magazin gehört dem Medienkonglomerat Time Warner, in dem unter anderem HBO, Warner Bros. und CNN beheimatet sind – und auf dessen Inhalte für das iPad glaubt Apple ebenfalls angewiesen zu sein,

(bk)

Abbildungen: AppShopper.com / Time Inc.

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Kommentare

Eine Stellungnahme zu “Apple, das Tablet und der Sex”
  1. Kohloe sagt:

    Hoffentlich passiert das mit Android nicht.

    Zum Glück hat Google weder email Adresse noch nen Kontaktformular im Impressum 😀