Apple dreht durch: Wörterbuch zensiert und nur für Erwachsene freigegeben
Von Bernd Kling am 6. August 2009 2 Kommentare
Von mündigen Verbrauchern hat Apple noch nie viel gehalten. Das Unternehmen macht sich immer noch lächerlicher mit seiner hoheitlichen Genehmigungspraxis für den App Store. Ist das Iphone ein Kinderspielzeug?
Die Zensoren Prüfer, die über die Aufnahme von Anwendungen in Apples App Store entscheiden, drehten die bislang absurdeste Kapriole. Sie lehnten ein Wörterbuch namens Ninjawords ab, weil es doch neben vielen anderen auch ein paar „anstößige“ Wörter enthalte. Eindeutige Wörter eben, wie sie in Wörterbüchern enthalten sind. Ass, Fuck, Screw, Snatch und dergleichen. (Bitte nicht Frau von der Leyen flüstern. Sonst kommt Zenzursula noch auf die Idee, alle Wörterbücher im Internet sperren zu wollen.)
Dabei beruht Ninjawords auf dem über den Webbrowser frei zugänglichen Wiktionary, einem von Benutzern gepflegten Wörterbuch. Ninjawords („ein wirklich schnelles Wörterbuch … schnell wie ein Ninja“) selbst ist ebenfalls frei im Web zugänglich.
Dennoch gaben die Entwickler klein bei und säuberten, was immer zu säubern war. So kamen sie schließlich im dritten Anlauf und nach einem zwei Monate langen Genehmigungsmarathon an Apples Türstehern vorbei und in den App Store. Nachdem die Aufpasser sie aber schon mal aufs Korn genommen hatten, machten sie klar, dass ohne die Kennzeichnung 17+ nichts geht. So wird es jetzt tatsächlich im Itunes Store angeboten mit Angaben von Apple, als handle es sich um eine obszöne und vulgäre Anwendung:
„Mindestalter zum Herunterladen dieses Spiels: 17 Jahre.
Häufig/stark ausgeprägt Szenen mit erotischen Anspielungen
Häufig/stark ausgeprägt Obszöner oder vulgärer Humor“
Muss erwähnt werden, dass das in Mac OS X enthaltene Wörterbuch all die von Apple bei der Iphone-Anwendung beanstandeten Begriffe enthält? Dass sie in allen guten Standard-Wörterbüchern enthalten sind? Und es auch um alltägliche Wörter wie screw ging, die nur nebenbei auch eine im Sinne Apples „anstößige“ Bedeutung haben könnten.
John Gruber in Daring Fireball: „Ich denke jedesmal, die himmelschreiendste Ablehnung für den App Store erlebt zu haben. Ich werde immer wieder des Besseren belehrt. Ich kann mir nicht vorstellen, wie sie das übertreffen wollen.
Apple verlangt von uns, dass wir 17 Jahre oder älter sein müssen, damit wir ein zensiertes Wörterbuch kaufen dürfen, das die Hälfte der Wörter auslässt, die Steve Jobs täglich benutzt.“
So läuft das, wenn man mit Zensur anfängt. Jetzt warten wir darauf, dass Apple auch alle Songs und alle Filme aus dem Itunes Store verbannt, in denen „anstößige“ Wörter vorkommen.
Update (7. 8. 2009): Apple hat sich inzwischen zur aktuellen Zensuraffäre geäußert. Apples Phil Schiller behauptet, die Entwickler hätten sich ganz „freiwillig“ selbst zensiert:
Apple: Wir zensieren keine Wörterbücher
(bk)
Zum Thema bei TecZilla:
Apple sperrt Google Voice: Regulierer fragen nach
Iporn-Affäre: Girls, die zu heiß für das Iphone waren
Zum Thema im Web:
Screenshots: Matchstick Software / Itunes Store
Schön, leider ist der Artikel sachlich komplett falsch. Wie es wirklich war, ist ja mittlerweile bekannt, Apple hat nichts zensiert, das waren die Entwickler selbst.
Apples Hinweise, dass sie das Wörterbuch mit OS 3.0 (Perantal Control) problemlos in den App Store bringen können, wurden ignoriert. Stattdessen wurde (werbewirksam) ein Theater inszeniert.
Und die Presse, oder das was sich im Internet für Presse hält, machte sich zum willfährigen Erfüllungsgehilfen.
„Apple fährt PR-Kampagne hoch, um App-Store-Praxis zu verteidigen“ titelt die Washington Post zu diesen nachgeschobenen Erklärungen Apples. Die Behauptungen Apples kann man glauben, muss man aber nicht:
Washington Post
Apple: Wir zensieren keine Wörterbücher