Apple iPad: Die ersten Tests
Von Bernd Kling am 1. April 2010 1 Kommentar

Wer hat den Preis für die größte Lobhudelei verdient?
Von Steve Jobs persönlich handverlesene Tester durften schon damit spielen und überschlagen sich vor Begeisterung
Wie schon von früher inszenierten Markteinführungen bekannt, erhielten nur diejenigen ein Gerät zum vorherigen Antesten, die sich bereits durch weitgehendes Wohlwollen gegenüber Apple ausgezeichnet haben. Darüber hinaus hatten sie mit persönlichen Anrufen von Steve Jobs zu rechnen, der die öffentliche Darstellung seiner Produkte wie immer sorgsam zu orchestrieren sucht. Diesmal haben es die willigen Schreiber allerdings so überzogen, dass es schon unfreiwillig komische Züge bekommt, um nicht zu sagen parodistische Qualitäten.
Der Apple-CEO dürfte hocherfreut sein über das Ergebnis, das unter seiner Federführung entstand. Wie immer jubelnd zur Stelle ist Walt Mossberg beim Wall Street Journal. Er lässt uns wissen, das iPad sei viel mehr als ein großes iPhone oder ein E-Reader, mache das so viel besser als Amazon Kindle. Er vergisst dabei wie fast alle anderen Rezensenten, den kleinen Unterschied zwischen E-Ink und einem strahlenden Bildschirm auch nur zu erwähnen – und was es für längeres Lesen bedeutet. Mossberg berichtet, das iPad habe ihm bei täglicher und nächtlicher Nutzung geholfen, seine Notebooks nur noch rund 20 Prozent so oft zu nutzen wie üblich. Daraus schließt er schon in der Überschrift, das iPad sei ganz dicht an einem Notebook-Killer. War das gut so, Steve?
Xeni Jardin vom Gadgetblog BoingBoing bedankt sich gebührend für die Ehre, sich dem Willen von Steve Jobs unterordnen zu dürfen, und erklärt das iPad schon in der Überschrift zu einem Geniestreich. Sie überschlägt sich vor Begeisterung, als handle es sich um ein neues Sex-Spielzeug. Ja, es treffe einen völlig neuen pleasure spot: „Die Form fühlt sich einfach gut an, nicht zu leicht oder schwer, nicht zu dünn oder dick. Es ist sinnlich. Es ist taktil.“ So viel über ihre Präferenzen hätte sie nun aber auch wieder nicht verraten müssen.
Auch Edward Baig verkündet bei USA Today schon in der Überschrift sein Urteil: „Es ist ein Gewinner“. Zum Abschluss seiner Lobhudelei erwähnt er immerhin ein paar kleine Nachteile wie das fehlende Multitasking, die versiegelte Batterie und die fehlende Flash-Unterstützung. Er versäumt aber nicht, mit dem Fazit zu schließen, Apple habe mit einem weiteren beeindruckenden Produkt weitgehend erfüllt, was der Hype versprach.
Andy Ihnatko erhebt das iPad bei der Chicago Sun Times zur „puren Innovation“ und dem „besten Computer in meinem Haushalt und meiner Büro-Menagerie“. Es sei jedoch keinesfalls Ersatz für sein Notebook, sondern fülle eine schon länger bestehende Lücke.
Tim Gideon bei PC Mag erklärt das iPad ebenfalls zum „Gewinner“. Dabei versucht er zumindest, mehr in die technischen Details zu gehen, kann aber auch nur rätseln: „Zum geheimnisvollen, im Haus entwickelten A4-Chip mit 1 GHz sagt Apple offiziell wenig, sondern beschreibt ihn nur als ’schnell‘ und ‚energieeffizient‘.“ Gideon meldet auch als einziger leise Zweifel zur behaupteten Eignung als Reader an: „Abzuwarten bleibt jedoch, wie es ist, wenn man über längere Zeiträume auf dem iPad liest. Die E-Ink-Displays von Kindle und anderen E-Book-Readern sind dafür bekannt, äußerst augenfreundlich zu sein.“ Könnte es einer der Gründe sein, warum Apple das Tablet nur so kurzfristig vor dem Marktstart antesten ließ?
Mögliche Kritik von „Techies“ versucht Omar Wasow bei The Root vorwegzunehmen und erklärt sie schon in der Überschrift als unberechtigt: „Die Techies liegen falsch, was das iPad angeht“, um mit dem Untertitel zu sekundieren: „Steve Jobs hat wieder Recht. Es ist der Computer für den Rest von uns.“
Bob LeVitus, der sich selbst „Dr. Mac“ nennt, gibt beim Houston Chronicle seine Diagnose, das iPad sei besser als erwartet. Er habe hohe Erwartungen für das iPad gehabt, und es habe die meisten von ihnen übertroffen. Dazu gibt er noch den Hinweis, dass es ab Samstag zu kaufen ist. Alles klar, Dr. Mac.
David Pogue kann es sich bei der New York Times nicht mehr ganz so leicht machen, nachdem er aufgrund seiner auffallenden Nähe zu Apple und Steve Jobs schon zu sehr in die Kritik kam. Er musste zuvor zu seiner Entschuldigung erklären, er sei eben mehr Entertainer und nicht Journalist, daher nicht den gleichen ethischen Maßstäben zu unterwerfen. Er dreht diesmal eine unterhaltsame Pirouette und schreibt einen „Test für Techies“, nur um ihn anschließend zu konterkarieren mit einem „Test für alle anderen“, das zielstrebig zum angemessen begeisterten Fazit mäandert: „Und die Techies haben bei einem weiteren Punkt recht: Das iPad ist kein Notebook. Es ist nicht annähernd so gut, um Dinge zu gestalten. Auf der anderen Seite ist es unendlich komfortabler, um sie zu konsumieren – Bücher, Musik, Video, Fotos, Web, E-Mail und so weiter. Für die meisten ist es eine vollständig neue Erfahrung, diese digitalen Stoffe direkt zu manipulieren, indem sie sie berühren – und eine zutiefst befriedigende.“ Na also, Steve wird wieder zufrieden sein.
Screenshot: BoingBoing
Lese ich da etwa zwischen den Zeilen, dass ein guter Journalist immer was zu meckern haben muss?
Tja, ich nehme an, dass Apple mit dem iPad ungefähr 50% Marktanteil erreichen wird. Und die restlichen 200 Firmen werden sich mit Ihren Produkten um den Rest streiten.