Apple kauft Twitter – auch nicht
Von Bernd Kling am 5. Mai 2009 1 Kommentar
Jetzt soll also Apple Twitter kaufen. Losgetreten hat dieses Gerücht wieder Michael Arrington, der vor kurzem noch von heißen, so gut wie abgeschlossenen Verkaufsverhandlungen zwischen Google und Twitter phantasierte. Und die üblichen Verdächtigen zwitschern mit.
Wenn er so weitermacht, hat der Gründer von Techcrunch bald keinen Ruf mehr zu verlieren. Dennoch liefen bereits über 80 höchst redundante deutschsprachige Berichte über das angebliche Kaufbegehren Apples an Twitter auf. „Apple ist angeblich an Twitter dran“ findet selbst Financial Times Deutschland meldenswert und beruft sich auf „namhafte Blogs“, die den Namen des Iphone-Herstellers ins Spiel bringen. Bild.de beweist ungeahnte Sprachfertigkeiten, retourniert das von zwei Blogs zwecks Traffic-Maximierung gestreute Gerücht in englischer Sprache als „Weltnachricht“ und beruft sich auf „Branchenberichte“, ohne die Quellen zu nennen.
„Eine gewöhnlich verlässliche Quelle“
Als Primärquelle generiert wieder Techcrunch wohlfeile Klicks mit einer Geschichte, die nach dem gleichen Muster wie das vor gerade einem Monat gestreute Gerücht über Googles fast perfekte Twitter-Übernahme getextet ist. Eine „gewöhnlich verlässliche Quelle“ habe von 700 Millionen US-Dollar in Barem geflüstert, die Apple für Twitter übrig habe, und verraten:
„Apple ist in der letzten Phase von Verhandlungen, um Twitter zu kaufen. Sie hoffen, die Übernahme beim WWDC im Juni bekanntgeben zu können.“
Hier zeigt sich übrigens ein beliebter Trick von geübten Gerüchteschleudern: Die Geschichte irgendwie mit einem bevorstehenden Datum zu verbinden. Ähnlich ist es auch beim regelmäßig wiederkehrenden Gerücht von der angeblich unmittelbar bevorstehenden Preissenkung von Sonys Playstation 3 zu beobachten. Hilfreich ist natürlich auch, eine konkrete und atemberaubende Summe zu nennen.
Absurder geht’s nicht. Was soll der Computer- und Gadgethersteller ausgerechnet mit einem Microbloggingdienst ohne Geschäftsmodell? Darüber hat sich Owen Thomas von Valleywag einen Kopf gemacht. Diese Klatschpostille des Silicon Valley ist eine oft amüsante, aber nicht eben für verlässliche Recherchen und kluge Analysen bekannte Publikation. Valleywag als sekundäre Gerüchtequelle will es von jemandem gehört haben, der „in der Deal-Szene des Valley steckt“.
Gezwitscher im Siliziumtal
Valleywag-Argumente für den angeblichen Apple-Twitter-Deal: Apple hat die Milliarden rumliegen und kann die 700 Mios komplett in Cash bieten statt teilweise in Form von Aktien. Da können die Twitterer einfach nicht nein sagen, auch wenn sie eigentlich gar nicht verkaufen wollten.
Warum aber sollte Apple überhaupt wollen? Das Iphone beflügle ganz offensichtlich diesen behaupteten Deal: „Die vielen Iphone-Apps wie Tweetie, mit denen Benutzer Twitter-Nachrichten versenden, sind heiße Umsatzbringer für Apple.“
Vor allem aber mache der Deal einen gewissen Sinn, weil Apple zwar gut mit Entwicklern von Hardware und Software gesegnet sei, aber bislang nur unzureichend Webdesigner gewinnen konnte. Um in der offenen Welt des Web besser mitspielen zu können, biete sich das von Natur aus offene Twitter an, dessen Benutzer bereitwillig auch noch die kleinsten Details ihres Lebens verraten.
Dan Frommer hat sich bei Business Insider die Mühe gemacht, diesen gedanklichen Unsinn zu widerlegen. Harry McCracken listet im Technologizer genüsslich ein Dutzend weitere vorhergesagte Unternehmensaufkäufe durch Apple auf, die niemals stattfanden. Kara Swisher von All Things Digital bügelt das Gerücht schließlich mit ihrer glasklaren Logik weg: Wenn Twitter zum Verkauf stünde, dann gäbe es keine Verhandlungen mit einer Firma kurz vor dem Abschluss. Tatsächlich tobte ein Wettbieten von Microsoft, Google, News Corp. und weiteren Firmen.
Solche redlichen Bemühungen konnte viele Ab- und Umschreiber nicht abhalten, das Gerücht als fast schon amtlich zu verbreiten mit Überschriften wie „Apple will Twitter für 700 Millionen Dollar kaufen“. Selbst dpa stieg ein mit „Neuestes Twitter-Gerücht: Jetzt Apple als Käufer“.
Und noch ein Gerücht
Als löbliche Ausnahme ist das Handelsblatt zu erwähnen. Nicht nur der Überschrift „Viel Gezwitscher um Apple“ wegen, sondern für die nüchterne Bestandsaufnahme des Gerüchts: Dass es inzwischen auch Gerüchte gibt, nach denen Apple am Videospiele-Publisher Electronic Arts interessiert sein soll, mache die Twitter-Spekulationen auch nicht besser.
Wobei das mit Electronic Arts als eine Spur ernsthafter durchgehen könnte, gibt es doch aktuelle Anzeichen dafür, dass Apple den Gaming-Markt im Visier hat. Hier sind aber noch nicht die Schreiber mit den „gewöhnlich verlässlichen Quellen“ am Ball. Apple habe Electronic Arts als Übernahmeziel im Auge, ist bislang nur als Geschnatter zu hören.
(bk)
Abbildungen: Twitter for Iphone
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