Apple lehnt Iphone-App als "zu politisch" ab
Von Bernd Kling am 30. September 2009
Mit der Anwendung iSinglePayer wollte ein Informatikstudent auf die Missstände im US-Gesundheitswesen hinweisen, die Barack Obama mit seinen Reformplänen angehen will. Apple ließ die Anwendung nicht für den App Store zu, da „politisch belastet“. Und ist das nicht auch eine politische Aussage?
Knapp 50 Millionen Bürger der USA verfügen über keine Krankenversicherung. Nach einer Studie der Harvard University führt das jährlich zu 45.000 Todesfällen. Sollte das nicht auch in einem Unternehmen zum Nachdenken führen, dessen Chef und Mitbegründer eben eine lebensgefährliche Erkrankung durch eine Organtransplantation überstand?
Der 22-jährige Informatikstudent Red Daly reichte am 21. August seine Anwendung bei Apple ein. Wie er berichtet, erhielt er fünf Wochen später Bescheid über die Ablehnung. Eine Apple-Vertreter erklärte ihm telefonisch, sie sei „politisch belastet“ und daher selbst mit Änderungen nicht zu genehmigen.
Rufen Sie Ihren Abgeordneten an!
Die Anwendung stellt Zahlen und Daten zu den bekannten Missständen im US-amerikanischen Gesundheitswesen dar, zu denen auch um das Mehrfache höhere Kosten je Person im Vergleich zu europäischen Ländern gehören. Sie stellt die Vorteile eines Versicherungswesens (single-payer health care) heraus, wie es das Nachbarland Kanada praktiziert: Eine öffentliche Institutition garantiert die Versicherung aller Bürger, ohne jedoch selbst das Gesundheitswesen staatlich zu organisieren.
Die Anwendung ermittelt per GPS den lokalen Kongressabgeordneten und informiert über Wahlkampfspenden, die er von Versicherern und pharmazeutischen Firmen erhielt. Sie fordert dazu auf, den eigenen Volksvertreter anzurufen und gibt dessen Telefonnummer an.
Das ist „politisch belastet“ (politically charged) und muss dem Iphone-Benutzer vorenthalten werden?
Red Daly hatte zuvor bereits andere Anwendungen eingereicht wie Quiz Tunes, die Apple ohne weiteres akzeptierte. Er empfiehlt dem Unternehmen, an die eigenen Benutzer zu denken:
„Apple sollte im Interesse des Benutzers agieren und sicherstellen, dass eine Anwendung gut funktioniert und über keine Viren verfügt. Aber ich glaube nicht, dass sie ins Zensurgeschäft gehen und anfangen sollten, politische Meinungsäußerungen zu zensieren, und ich glaube nicht, dass sie die Inhalte einschränken sollten.“
Auf einem Auge blind?
Apple hat sich schon zahlreiche Eskapaden mit seiner Zulassungsbürokratie für den App Store geleistet. Die meisten waren eher erheiternd wie die Affäre um eine App mit Bikini-Mädchen, die Apple zu spärlich bekleidet fand. Mehr als komisch war auch die Zensuraffäre um ein Wörterbuch, das mit „unanständigen“ Wörtern Apples Missmut erregte.
Mit politischer Zensur aber geht Apple einen entscheidenden Schritt weiter in der Bevormundung der Kunden. Zumal Apple Anwendungen mit anderen politischen Aussagen durchaus zu gefallen schienen. Keine Probleme sahen Apples Zensoren zum Beispiel bei der Iphone-Anwendung „Conservative Talking Points (CTP). Diese App soll erklärtermaßen konservativ gesinnte Bürger mit Argumenten gegen liberal idiocy und lefties versorgen.
Apple hat sich bislang noch zu keiner Stellungnahme durchringen können. Was wird uns Phil Schiller diesmal wissen lassen, um Apples Nicht-Zensur zu erklären?
(bk)
Zum Thema bei TecZilla:
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Zum Thema im Web:
Wikipedia: Single-payer health care
Abbildung: LambdaJive