Apple wirft Anti-Gay-App aus dem App Store
Von Bernd Kling am 23. März 2011
Von der Schwierigkeit der Zensoren, es allen recht zu machen
Seit Apple den App Store mit strikter Einlasskontrolle eingeführt hat, machen Jobs‘ Prüfer durch seltsame und widersprüchliche Entscheidungen von sich reden. Mehrmals wurden politische Satiren („Inhalte, die Personen des öffentlichen Lebens lächerlich machen“) verboten. Selbst die Karikaturen eines Pulitzer-Preisträgers fielen dem Zensurwahn zum Opfer, wurden erst nach öffentlichem Aufschrei wieder freigegeben.
Das Magazin Playboy musste sich für seine iPad-App selbst zensieren, eine Erotik-Galerie der Zeitschrift Stern musste ausfallen, das „Bild“-Girl zum Nackt-Schütteln einer deutschen Boulevardzeitung fiel der Schere zum Opfer. Selbst ein britischer Anbieter von Bademode flog aus dem App Store, denn „offenkundig sexuelle Inhalte“ hätten zu „zahlreichen Beschwerden“ von Kunden geführt.
„Eine Sünde, die dein Herz krank macht“
Während Apple einerseits die Welt der Apps mit puritanischer US-Moral maßregelt, durften sich wiederholt christliche Fundamentalisten austoben, die Homosexualität noch immer für eine Krankheit halten, die mit religiösen Mitteln zu heilen ist („eine Sünde, die dein Herz krank macht“). Die iPhone-App einer „Ex-Gay“-Organisation namens Exodus wurde für Kinder und Jugendliche ab 4 Jahren freigegeben.
Die Aktivisten von „Truth Wins Out“ wiederum sahen in der homophoben App nicht nur eine Diffamierung von Minderheiten, sondern auch eine konkrete Gefährdung von Jugendlichen. Sie wiesen auf die erheblich höhere Zahl von Suizidversuchen und schweren Depressionen bei betroffenen Jugendlichen hin:
„Wir rufen Apple auf, dieses wissenschaftlich unhaltbare Produkt zu entfernen, das erhebliche psychologische Schäden bei betroffenen Personen weltweit hervorrufen kann. Es ist besonders beunruhigend, da die App darauf ausgerichtet ist, die Ängste von verzweifelten und verwundbaren schwulen und lesbischen Jugendlichen auszubeuten.“
Damit war Apple wieder einmal dem Dilemma der Zensoren ausgesetzt, das zugleich ein geschäftliches Problem für das Unternehmen darstellt. Weiter die fundamentalchristliche Basis bedienen oder doch etwas mehr politische Aufrichtigkeit beweisen? Offenbar gaben die Zahlen den Ausschlag.
Eine Online-Petition gegen die „Gay cure“-App brachte in kurzer Zeit über 148.000 Unterschriften. Inzwischen hat Apple die Anwendung ohne Angaben von Gründen aus dem App Store entfernt. Die Bestätigung kam von den App-Herstellern per Twitter: „Es ist offiziell, die ExodusInl App ist nicht mehr im AppStore. Unlaublich enttäuschend. Passt auf, das könnte euch passieren. #Freiheit.“
Screenshot: Change.org