Bundesregierung: Keine “Lex Google” gegen Street View

Von am 15. August 2010  

Ein Sommerlochthema versandet

Politiker mit auffallend geringer Internet-Kompetenz trieben das Thema voran. Datenschutzbeauftragte, die zu wirklich relevanten Themen beredsam schweigen, machten sich wichtig mit Aussagen und lautstarken Forderungen zu Street View. Eine Schutzpflicht des Staates mahnte der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar an und forderte Eilgesetze: „Gerade vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Aufregung verstehe ich nicht, wieso man sich da Zeit lässt.“

Und wer hat all diese Aufregung überhaupt erst produziert, mit Panikmache eine unglaubliche Desinformation gefördert? Das führt zu Umfragen, nach denen angeblich eine Mehrheit der deutschen Bevölkerung gegen Google Street View eingenommen ist. Problem nur, dass die gleiche Mehrheit Google Street View nicht kennt und sich ganz falsche Vorstellungen davon macht. Manche scheinen tatsächlich zu fürchten, sie könnten mit Street View ständig auf ihrem Balkon oder beim Nackbaden im Garten beobachtet zu werden.

Eine Frist läuft, in der verunsicherte Hausbesitzer und Wohnungsinhaber Widerspruch gegen die Abbildung ihrer Liegenschaften einlegen können, damit diese beim Start von Google Street View für 20 deutsche Städte gar nicht erst zu sehen sind. Mit der nicht nur leicht ironischen Überschrift „Letzte Frist für Deutsche, sich vor Street View“ zu verstecken“ berichtet der britische Register über diese besondere Erscheinungsform von German Angst. Tatsächlich gab es eine ähnliche Panikmache um Street View in keinem anderen Land der Welt.

Privatsphäre von Hausfassaden?

Eine Privatsphäre von Hausfassaden gab es noch nie und sollte es auch nicht geben. Jeder kann durch Straßen gehen, die Fassaden betrachten und sie auch fotografieren. Mit Google Street View geht das ein wenig einfacher. Man kann sich zum Beispiel eine Gegend ansehen, bevor man eine dort angebotene Wohnung besichtigt. Es geht um öffentlichen Raum, nicht um Privatsphäre. Wie Kai Biermann in der Zeit richtig bemerkt, wäre das vielfach geforderte Gesetz gegen Google Street View ein Gesetz gegen diesen öffentlichen Raum:

„Google zeigt nur den öffentlichen Raum und bildet ihn im Netz ab, mehr nicht. Sollte es zufällig doch mehr sein, kann man widersprechen und der Konzern nimmt die Bilder aus dem Angebot. Street View zu verbieten oder einzuschränken aber hieße, um jedes Haus in diesem Land eine Sondersicherheitszone zu ziehen. Wodurch der öffentliche Raum, den wir alle nutzen müssen, nutzen dürfen und nutzen wollen, kleiner würde.“

Bundesinnenminister Thomas de Maizière bläst jetzt endlich die peinliche Street-View-Kampagne ab. In einem Interview erklärte er, die Bundesregierung wolle keine Lex Google, wie bereits vom Bundesrat vorgeschlagen:

„Es geht um mehr als Google Street View. Deswegen ist der einzelfallbezogene Gesetzentwurf des Bundesrates, eine Art ‚Lex Google‘, nach meiner Auffassung unzureichend. Der Blick auf die Risiken und Sorgen, die wir ernst nehmen, darf die vorhandenen Chancen und Vorteile nicht außer Acht lassen.“

Der Sommer geht, Street View kommt. Es könnte sich schon bald als so nützlich erweisen, dass niemand mehr darauf verzichten möchte. Und wann gibt es ein neues Thema in der Politik?

Screenshot: Google Street View, Rämi-Straße in Zürich

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