Die sieben Motorola-Patente, die angeblich fast alle Geräte von Apple verletzen
Von Bernd Kling am 21. August 2012
Google möchte zwar am liebsten Softwarepatente abgeschafft und das ganze Patentsystem reformiert wissen, hält aber gleichzeitig mit einer Patentklage seiner Tochterfirma Motorola Mobility voll gegen Apple. Mit seiner bei der Internationalen Handelskommission der USA (ITC) eingereichten Klage will es einen Importstopp praktisch aller derzeit in den USA angebotenen Apple-Hardware erreichen, ausgenommen vielleicht ein paar schlichte iPod-Modelle.
Ein Importstopp käme teuer
Es ist keine Klage, bei der es wie meist üblich um eine möglichst hohe Schadenersatzsumme geht. Bei der ITC wäre das gar nicht zu erreichen, aber sie kann etwas anderes, nämlich einen Importstopp verhängen und damit theoretisch einen weit größeren Flurschaden anrichten. Kommt die Handelskommission dem Antrag Googles nach, kämen auf Apple die verheerenden Folgen des „Nuklearkriegs“ zu, den Steve Jobs einst gegen das konkurrierenden Mobilbetriebssystem Android erklärte. Ein Importverbot gegen iPhones, iPads und iPods könnte sich theoretisch zu entgangenen Umsätzen von rund 30 Milliarden Dollar in einem Quartal hochrechnen. Apple generiert rund 40 Prozent seiner Einnahmen in den USA.
Ein Blick lohnt sich daher auf die von Unwired View näher recherchierten Patente, die Apple angeblich verletzt. Google hat mit der Übernahme von Motorolas Handysparte 17.000 Patente sowie 7.000 beantragte Schutzrechte erworben. Die ITC-Klage gegen Apple munitioniert es aber mit nur sieben sorgfältig ausgewählten Patenten. Sie zielen auf Apples Sprachassistenten Siri, Standortmeldungen, E-Mail-Benachrichtigungen, Videoplayer und mehr.
Keines von ihnen gehört zu den essentiellen Standardpatenten, die zu FRAND-Bedingungen fair lizenziert werden müssen. Motorola betont, Apple dennoch Lizenzen angeboten zu haben. Da Apple das Angebot nicht wahrgenommen habe, sei eine Klage unvermeidlich gewesen.
Schutzrechte mit Vernichtungspotenzial
Das wohl größte Vernichtungspotenzial steckt im US-Patent 6.493.673. Es beschreibt eine „Markup-Sprache für interaktive Dienste“ und damit laut Motorola den grundlegenden interaktiven Dialog, den auch Siri einsetzt. Gegen Patent 7.007.064 soll Apple mit der Synchronisation von E-Mails über iCloud verstoßen. Patent 7.383.983 betrifft das Anhalten einer Video- oder Audiowiedergabe auf einem iPad, um die Wiedergabe anschließend auf einem anderen Gerät fortzusetzen.
Bei Patent 6.983.370 geht es um den nahtlosen Wechsel von Instant Messaging, bei der ein beispielsweise auf einem Macbook begonnener Chat auf einem iPhone fortgesetzt wird. Patent 6.425.002 betrifft die Zuführung von Nachrichten zu den richtigen Anwendungen, wie von Apple in seinen Push-Benachrichtigungen praktiziert.
Patent 5.922.047 enthält breit formulierte Ansprüche zu grundlegender Gerätefunktionalität für die Mediensteuerung auf einem Mobiltelefon. Um die Darstellung standortrelevanter Nachrichten geht es bei Patent 5.883.580.
Ein Gleichgewicht des Schreckens?
Während Apple in seinem laufenden Patentprozess gegen Samsung vor allem die Verletzung geschützter Geschmackmuster (die in den USA „Design Patents“ heißen) beklagt, greift Google mit funktionsbezogenen Patenten an. Der Ausgang ist natürlich ungewiss, aber der Einsatz ist auf beiden Seiten wesentlich höher geworden. Die Risiken führen hoffentlich zu einem Gleichgewicht des Schreckens, das Apple und Google zu einer gegenseitigen Lizenzierung zwingt – und einem Wettbewerb, der wieder im Markt ausgetragen wird.
Abbildung: Apple / Google (Montage: Xoomix)