Klarnamenzwang: Facebook lässt die Freunde petzen
Von Bernd Kling am 23. September 2012
Sozialer Druck im Sozialen Netz
Facebook hat zwar die Gesichtserkennung für Europa abgeschaltet, spioniert seinen Nutzern aber sogar durch Nachfragen bei ihren Freunden hinterher. Noch ist es angeblich nur ein begrenzter Feldversuch des Unternehmens, seine Nutzer über sozialen Druck zur Einhaltung seiner Vorgabe zu zwingen, nur mit seinem echten Namen im Sozialen Netz unterwegs zu sein.
Facebook-Chef Mark Zuckerberg legt größten Wert darauf, dass seine Nutzer auf Pseudonyme verzichten, auch wenn sie noch so gute Gründe dafür haben könnten. Er lässt deshalb sogar bei Freunden herumfragen, um sich der wahren Identitäten zu versichern. Bei Twitter, das seinen Nutzern mehr Freiheiten belässt, veröffentlichte @chapeaudefee den Screenshot eines Nörgelfensters, mit dem Facebook zum Petzen aufforderte.
„Hilf uns, Facebook besser zu machen“, diente es sich an und ließ den Vorstoß wie eine kleine Meinungsumfrage aussehen. „Bitte hilf uns zu verstehen, wie die Menschen Facebook nutzen.“ Die Antwort bleibe anonym und schade auch nicht dem Konto des Freundes.
„Ist das der echte Name deines Freundes?“ rückte Facebook dann mit dem Anliegen heraus. Als Antworten waren nur zugelassen: Ja – Nein – Ich kenne diese Person nicht – Ich möchte nicht antworten. Facebook war dabei auch noch aufdringlich – es war nicht möglich, die Anfrage einfach wegzuklicken.
Gegenüber Talking Points Memo bestätigte Facebook, dass es tatsächlich so vorgeht. Ein Test soll es dem Unternehmen zufolge sein, der aber schon monatelang läuft: „Dieses System wurde in den letzten Monaten in verschiedenen Ausführungen implementiert.“
Der Klarnamenzwang von Facebook steht schon länger in der Kritik. „Facebook-Nutzer geben ihre wahren Namen und Daten an und wir benötigen deine Hilfe, damit dies so bleibt“, heißt es in den Nutzungsbedingungen. „Du wirst keine falschen persönlichen Informationen auf Facebook bereitstellen“, lautet eine ausdrückliche Verpflichtung. Nur ein persönliches Konto dürfe angelegt werden, die Kontaktinformationen seien stets auf dem neuesten Stand zu halten.
Facebook ignoriert damit, dass es nicht nur gute, sondern auch zwingende Gründe geben kann, online ein Pseudonym zu wählen. Beispielsweise für Menschen, die es mit Stalkern oder rachsüchtigen Ex-Partnern zu tun haben. Oder für Nutzer in Ländern, in denen es gefährlich ist, offen seine Meinung zu äußern. Facebooks Namenspolitik kann sie in Gefahr bringen.
Wie etwa die Blogger-Aktivistin La Gringa in Honduras, das die „Reporter ohne Grenzen“ ganz weit unten ansiedeln, was Pressefreiheit angeht. Sie war schon über vier Jahre bei Facebook und hatte unter dem aus guten Gründen gewählten Namen 1200 Freunde gewonnen. Nachdem sie mehrere Artikel über Verbrechensserien in Honduras veröffentlichte, ging jedoch eine Beschwerde über ihren „unwahren Namen“ ein – und Facebook löschte ihr Konto.