Lex Google aus Hamburg: Street View in Gefahr?
Von Bernd Kling am 27. April 2010
Datenschutz-Beamte und Lokalpolitiker wetteifern gegen Google-Dienste: Ein grüner Justizsenator wirft Google Street View allen Ernstes vor, ein nützliches Werkzeug für Einbrecher zu sein
Die große Verwunderung beamteter Datenschützer über erfasste WLAN-Zugangspunkte für bessere Ortsbestimmung gab offenbar den Ausschlag, um auch Regionalpolitiker in große Aufregung zu versetzen. Einen „Sturm im WLAN-Wasserglas“ nannte es die Aachener Zeitung kongenial.
Neu war das zwar gar nicht, unter anderem macht es Skyhook Wireless schon lange global und natürlich auch in Deutschland. Mit dabei ist auch das öffentlich geförderte Fraunhofer-Institut IIS schon seit Jahren, wie eine Pressemitteilung aus dem Jahr 2007 über „autarke WLAN-Lokalisierung“ schlüssig beweist.
„Google spioniert WLAN-Nutzer aus“
„Ich war schon überrascht“, bekannte dennoch dieser Tage Johannes Caspar, der Hamburger Landesbeauftragte für den Datenschutz. Bei einem Treffen auf EU-Ebene habe Peter Schaar, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationssicherheit, „quasi nebenbei erfahren“, dass Googles Fahrzeuge nicht nur Straßen und Gebäude fotografierten, sondern auch die WLAN-Zugangspunkte erfassten, die später eine Ortsbestimmung auch ohne GPS ermöglichen.
„Ich bin entsetzt, zu welchen Zwecken diese Fahrten ohne Wissen Dritter genutzt worden sind“, ging Schaar an eine Öffentlichkeit, die noch weniger über WLAN-Lokalisierung wusste als er selbst. „Google spioniert WLAN-Nutzer aus“, berichtete daraufhin „Die Welt“ ganz ernsthaft schon in der Überschrift.
Tatsächlich erfasst werden können dabei nur von den Access Points öffentlich gesendete Informationen wie vom Hersteller vergebene MAC-Adressen der Geräte und Routernamen, meist ebenfalls von Hersteller oder Provider vergeben. Manche Nutzer vergeben Fantasiebezeichnungen, setzen relativ selten auch den eigenen Namen ein. Jeder kann das sehen, der mit einem Notebook oder Smartphone unterwegs ist. Unter 23 in meiner großstädtischen Umgebung sichtbaren WLANs sehe ich vorzugsweise Bezeichnungen wie ConnectionPoint, Arcor-47GE63, SMC, ALICE-WLAN oder MyNet. Nur drei scheinen mit persönlichen Namen belegt zu sein. Einer nennt sein WLAN „Cannabis“ – der scheint nun wirklich keinen besonderen Wert auf Vertraulichkeit zu legen.
Die Daten werden nicht veröffentlicht, sondern für die Ortsbestimmung bei Google Maps genutzt. Auch Apple und Twitter nutzen längst solche Geo-Daten für Standort-bezogene Dienste, offenbar völlig unbemerkt von Datenschützern mit begrenztem technischem Durchblick. Datenschutz-Beamte und Politiker gaben sich nun dennoch voll überfahren von Google und den Street-View-Autos. Sie können noch immer mit größter Aufmerksamkeit rechnen, wenn sie „Google Street View“ und „Skandal“ in einem Satz verbinden. Auch das eine lokale Besonderheit, wie die Süddeutsche Zeitung schon im Februar erkannte: „Nur Deutschland meckert“.
„Street View erleichtert die Planung von Straftaten“
Das war unmittelbar nach der großen Google-Offensive von Ilse Aigner, der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (CSU). Sie fordert die Bürger seither lautstark auf, Widerspruch gegen Aufnahmen von Google Street View einzulegen. Ein echtes Bürgerbegehren wurde daraus aber nicht, es kamen bundesweit weniger als 10.000 Widersprüche zusammen.
Seither versuchten sich vor allem CDU-Politiker wie NRW-Medienminister Armin Laschet („Skandal“, Missbrauch des Vertrauens“, „Fakten auf den Tisch“) mit weiteren Attacken auf Internet-Dienste zu profilieren. Links, rechts und mittig zugleich versucht jetzt der GAL-Justizsenator Till Steffen aus der Hamburger Koalititionsregierung seine schwarze Kollegenschaft zu überholen.
Ihm geht es zu langsam mit einem von der Bundesverbraucherministerin vorbereiteten Gesetz, das Google Street View in Deutschland erschweren soll („da tut sich einfach nichts“), deshalb musste jetzt auch noch ganz schnell ein eigener Gesetzentwurf aus Hamburg her. Überschriften wie „Hamburg droht Google“ und „Hamburg will Street View-Flotte ausbremsen“ belohnten ihn für seine schnell gestrickte Gesetzesvorlage.
Die Wandlung der Grünen zu einer strukturkonservativen Partei macht auch deutlich, wenn Steffen dabei ganz nach vertrautem rechtem Strickmuster argumentiert. Er appelliert an tiefsitzende Bürgerängste, indem er behauptet, ein Dienst wie Google Street View könne schließlich auch Einbrechern nützen:
„Das erleichtert die Planung derartiger Straftaten ganz erheblich, wenn man sich im Detail das Gebäude ansehen und (…) planen kann wie man vielleicht eine Fassade erklimmen kann.“
Zum Thema bei TecZilla: Ilse Aigner in Google-Panik
Screenshot: Google Street View, Rämi-Straße in Zürich