Mac OS X 10.7 Lion möchte wie iOS sein
Von Bernd Kling am 21. Juli 2011 1 Kommentar
Vortester berichten
Nachdem Apple die aktuelle Version des Betriebssystems zusammen mit einer neuen Kollektion von Mac Mini und Macbook Air vorstellte, treten die ausgewählten Testpersonen auf die Bühne, die Apple schon länger damit spielen ließ. Wie erwartet begeistert sich Walt Mossberg vom Wall Street Journal – „unser Freund“, wie ihn Steve Jobs nennt – wieder einmal fast ohne jede Einschränkung.
„Ein großer Sprung“
„Apples Lion bringt PCs in das Tablet-Zeitalter“, freut er sich schon in der Überschrift und berichtet über Ähnlichkeiten des Mac-Desktops mit iPhone und iPad. Wie beim mobilen Betriebssystem iOS dominieren mit Launchpad App-Symbole den ganzen Bildschirm. Die Bedienung erfolgt bevorzugt über mehrfingrige Gesten auf einem möglichst großen Touchpad, während die Maus und ihr Scrollrad zur Seite geschoben werden. Das bewusste Sichern von Dateien entfällt ersatzlos zugunsten einer laufenden automatischen Sicherung, wie auch von Cloud-Anwendungen wie Googles Text & Tabellen gewohnt. Selbst das Dateisystem versucht Lion zunehmend vor dem Benutzer zu verbergen und zeigt ihm lieber durchsuchbare Gruppierungen als Ordner, wie gleichfalls von mobilen Geräten wie Tablets und Smartphones sowie aus der Cloud bekannt.
Mossberg nennt Mac OS X 10.7 Lion einen großen Sprung und lobt: „Ich habe Lion auf vier Macs getestet, und mir gefällt es. Ich glaube, seine vielen Änderungen – insgesamt 250 – machen das Computing einfacher und verlässlicher.“ Er mäkelt nur ein wenig über die erforderliche Umgewöhnung für altgediente Mac-Benutzer, und auch die Lernkurve für Umsteiger von Windows falle steiler aus.
„Lion versucht zu sehr, iOS zu sein“
Brian X. Chen geht es bei Wired genau umgekehrt an und klagt über Kopfschmerzen schon nach der ersten Stunde mit Mac OS X Lion. So sehr machte ihm das invertierte Scrolling zu schaffen, mit dem Apple die Mac-Nutzer umerziehen will zur Bedienung in der Art von iPad: Wer das Mausrad wie gewohnt nach unten dreht, fährt den sichtbaren Bildschirmausschnitt nun nicht mehr abwärts, sondern hoch. Das entspricht der direkten Bewegung der Bildschirminhalte händisch auf einem Touchdisplay, obwohl Lion nicht wie iOS für Geräte mit solchen Displays gedacht ist.
Eine Rückkehr zu klassischen Scrollfunktion ist zwar problemlos möglich, aber Chen sieht es als Beispiel dafür, wie wenig die meisten von iOS entlehnten Features in eine Desktop-Umgebung passen. Auch Launchpad gab er schnell wieder auf, das ein Raster von App-Symbolen über den ganzen Bildschirm verteilt, aber auf seinem 27-Zoll-Monitor die Bedienung unnötig erschwerte. Mission Control, das neben offenen Anwendungen auch die Spaces zusammenfasst, findet er so unübersichtlich wie unästhetisch und wünscht sich Exposé zurück.
Er findet aber auch Gefallen an Features wie dem Vollbildmodus und der automatischen Sicherung. Angesichts des mäßigen Update-Preises von rund 30 US-Dollar / 24 Euro gegenüber der Vorversion Snow Leopard empfiehlt er dann doch ein Upgrade.
„Der Preis ist heiß“
„Offenbar durch den Erfolg von IOS ermutigt, hat sich Apple mit dem Beil an Jahrzehnte geltende Ansichten über Desktop-Betriebssysteme gewagt“, resümiert John Siracusa in einem Test mit zahlreichen technischen Details bei Ars Technica. Auch er kommt zum Schluss, dass sich Lion „seinen Preis von 29 Dollar mehr als verdient“.
Harry McCracken ruft Lion bei Time sogar zum „Schnäppchen beim Preis von 29,99 Dollar“ aus, stellt aber auch die Frage: „Es wird spannend sein zu beobachten, bis zu welchem Punkt das Unternehmen die Ipadifizierung des Mac in kommenden Versionen von OS X vorantreibt und wie weit es damit gehen kann, ohne die Verbraucher vor den Kopf zu stoßen, die ziemlich zufrieden waren mit den Macs, so wie sie waren.“
Screenshot: Apple
Die „Dummifizierung“ bei Apple läuft gebremst dahin.
Erstaunlich zu sehen auf welches Niveau sich unsere Welt zubewegt (befindet)