Nexus One: Flop oder Langzeitstrategie?

Von am 17. März 2010 7 Kommentare 

Die Verkaufszahlen erscheinen wenig beeindruckend, Schlagzeilenschreiber lassen es floppen, Analysten machen sich einen Kopf

Apples iPhone packte nach der Markteinführung 2007 innerhalb von 74 Tagen die Hürde der ersten Million verkaufter Geräte. 74 Tage gibt es inzwischen auch das „Google Phone“ Nexus One, und aus diesem Anlass haben Marktforscher hochgerechnet, dass es im gleichen Zeitraum nur auf 135.000 verkaufte Exemplare kam.

Kein Problem, sagt Google: „Wir sind erfreut über die Verkaufszahlen und darüber, wie gut das Nexus One von unseren Kunden aufgenommen wurde. Das Nexus One gehört zur schnell wachsenden Zahl von Android-Handys, die durch das offene Android-Ökosystem in den Markt eingeführt wurden. Unsere Partner liefern über 60.000 Android-Geräte täglich aus, während es vor nur drei Monaten noch 30.000 waren.“

Der iPhone-Vergleich wurde jedoch allseits dankbar aufgenommen und brachte eine Serie schneller Überschriften wie „Nur 135.000 Stück verkauft in 74 Tagen“ (PC Games Hardware), „Nexus One findet nur schleppend Käufer“ (DCRS Online), „Nexus One hinkt der Konkurrenz hinterher“ (Silicon.de), „Nexus One entwickelt sich zum Flop“ (AreaMobile), „Marktforscher: Google-Handy wenig begehrt“ (Die Zeit) und schließlich „Niederlage gegen iPhone & Co“ (OS-Informer). Kress.de orakelt von einem „selbsternannten iPhone-Killer“, der Apple bisher noch keine Angst einjage – als hätten sie nichts von Apples massiver Patentattacke auf HTC mitbekommen, den Hersteller von Nexus One.

„Ist Googles Nexus schon ein Flop?“ fragt Meedia eher vorsichtig, „Googles Nexus One floppt gewaltig“, weiß das Handelsblatt. Basic Thinking wagt den höchsten Einsatz im Schlagzeilenwettbewerb mit „Mega-Flop Nexus One: Wenn Dienstanbieter plötzlich Hardware branden …“

Warum der Vergleich hinkt

Es ist natürlich ein denkbar unsinniger Vergleich, der die völlig unterschiedlichen Verkaufsstrategien außen vor lässt. Mit Motorola Droid holte zudem auch ein Android-Smartphone eine knappe Million im gleichen Zeitraum. Der kleine Unterschied lag im subventionierten Angebot über einen Netzbetreiber. Während das iPhone über AT&T in den Markt kam, hielt der konkurrierende Mobilfunker Verizon mit Motorola Droid jetzt erfolgreich dagegen, begleitet von einer 100 Millionen US-Dollar schweren Werbekampagne.

All das machte Google mit dem Nexus One nicht. Nexus One kam nicht in die Läden, sondern war nur über eine Website zu bestellen. Nexus One wurde so gut wie nicht beworben, selbst in Googles eigenen Sites nur mit eher unaufälligen Links. Google subventionierte den Preis nicht auf das US-übliche Niveau herunter, nur T-Mobile subventionierte indirekt bei Abschluss eines Laufzeitvertrags. Können die Verfasser obiger Schlagzeilen soweit folgen?

Tatsächlich ging es Google offenbar nicht um einen eigenen breiten Markteintritt, das Unternehmen verfolgte vielmehr zwei ganz andere Ziele. Das erste bestand darin, einen neuen Vertriebsweg abseits der Netzbetreiber aufzumachen, die in den USA stark mitbestimmen, über welche Features ein Mobiltelefon verfügen oder eben (und das kommt öfter vor) nicht verfügen darf. Für diesen Ansatz bei einem relativ teuren High-End-Smartphone sind die bisherigen Verkaufszahlen gar nicht schlecht, meint jedenfalls Researcher Avi Greengart von Current Analysis.

Zum anderen wollte Google nicht als ernsthafter Mitbewerber auftreten, was mit dem entsprechenden Einsatz von Werbemitteln problemlos möglich gewesen wäre. Das käme auch gar nicht gut an bei Handyherstellern und Netzbetreibern, die Google als Partner gewinnen will. Google will sie vielmehr vor allem für leistungsfähigere Android-Geräte motivieren, wie Greengart mutmaßt:

„Es könnte eines der Ziele des Nexus One sein, dass Google dafür sorgen will, dass die Netzbetreiber nicht nur Android-Geräte mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner anbieten. Ein Weg, um das zu erreichen, besteht im Angebot von High-End-Geräten, um für mehr Wettbewerb da draußen zu sorgen. Das könnte die Netzbetreiber unter Druck bringen, etwas Vergleichbares anzubieten, damit sie ihre wertvollsten Kunden nicht an einen anderen Vertriebsweg verlieren.“

Nexus One bei AT&T, Verizon und Vodafone

Dieser Analyst dürfte recht behalten. Nexus One gibt es in den USA jetzt auch für das Netz für AT&T, es steht damit im direkten Wettbewerb mit dem dort erhältlichen iPhone. Apples Partner AT&T muss früher oder später mit einem Auslaufen des Exklusivvertrags rechnen und nimmt vorsichtshalber auch Geräte mit Palms WebOS und Googles Android OS ins Programm. Weitere Versionen von Nexus One für Verizon und Vodafone sollen folgen.

Das Engagement von AT&T scheint jedoch noch begrenzt zu sein. „Wir akzeptieren ein kompatibles Gerät in unserem Netzwerk“, ließ ein Sprecher wissen. Subventionieren will AT&T jedoch nicht, so dass ein mit den eigenen Netzstandards kompatibles Nexus One nur direkt bei Google zum vollen Preis von 529 US-Dollar zu beziehen ist. Das iPhone ist gleichzeitig schon ab 99 Dollar im Angebot.

Gut möglich daher, dass in 74 Tagen erneut Flop-Schlagzeilen wie heute einschlagen. Wie sie sich eben ganz ohne Nachdenken von selbst formulieren.

Abbildung: Google

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Kommentare

7 Stellungnahmen zu “Nexus One: Flop oder Langzeitstrategie?”
  1. jörg sagt:

    Danke!

    Im ernst, endlich mal einer der nicht nur sinnlos auf zahlen herumreitet, Iphone ist schon Android ist schön, aber das sind alles andere ideen…

    man vergleicht nicht Äpfel und Eier, das lernt man in der 1. klasse, und doch wird es hier immer getan.

    und wenn man es doch tut, sollte man mal Alle Androiden zusammen rechnen und das mit den Appel Iphones vergleichen…
    wenn es unbedingt sein muss…

    Ein punkt fehlt mir aber noch…
    Könnte man sich vielleicht vorstellen, dass viele derer, die derzeit iein Iphone besitzen, sich nicht dafür entschieden hätten, wenn es eine alternative gegeben hätte?
    was wäre gewesen, wenn…
    der Markt mag nicht gesättigt sein, aber die Technik affinen Freaks, haben nun alle so ein Ding, die kaufen sich ja kaum noch en Handy oder so ein weiteren teuren Vertrag.. oder? eine gewisse Sättigung ist also schon vorhanden

  2. AZ13 sagt:

    Kompliment für diesen tollen Beitrag, der nicht nur blind irgendwelche dubiosen Statistiken in der Vordergrund stellt, um somit eine möglichst aufsehenerregende Überschrift zu generieren, sondern mehr die Hintergründe gut beleuchtet und diese aufzeigt.

  3. Wishu sagt:

    Endlich mal jemand der nicht geistig verblendet ist.
    Man könnte den Gedanken sogar noch weiterführen. Vielleicht will Google schlicht und einfach keine Werbung machen – es machen ja schon alle anderen. Alle haben das N1 als potentiellen iPhone-Killer gewertet, obwohl dieser das nie sein wollte. Damit gabs die erste Werbung.
    Dann kamen die ersten „Verkaufszahlen“ – wieder berichten hunderte Sites über das Nexus One. Jetzt das gleiche nochmal.

    Sobald es auf normalem Wege zu kaufen ist, wird es sich so verkaufen, als hätte Google eine mittlere Werbekampagne gestartet. AFAIK kommt es im April bei Vodafone. Kurz nach dem Legend und den Desire. Dann werden wir sehen, was passiert 😉

    Mein nächster Androide wird auf jeden Fall das Desire – mein Magic ist leider zu leistungsschwach für ein Update. Nochmal mach ich das aber nicht mit, dass ich mir nach einem Jahr ein neues Smartphone zulege.

    Hast übrigens dank diesem Artikel einen neuen Feedleser gewonnen 😉

  4. nixdagibts sagt:

    Du hast sehr schön die Schwäche der modernen Nachrichtenkultur aufgezeigt. Jeder verlässt sich auf den anderen und denkt nicht mehr selber nach. Ein Thema wird kopiert, leicht umgeschrieben und natürlich noch einen Zacken schärfer formuliert.

    Besonders gut fand ich den Teil über Basic Thinking. Sie sagen ja über sich selbst, dass ihre kleine Redaktion gezwungenermaßen soundsoviel Artikel am Tag publizieren muss. Da kommt dann auch öfters mal so was bei raus. Die Kommentare des dortigen Artikels sprechen Bände.

  5. C.K. sagt:

    Guter Beitrag.
    Nexus One wurde allerdings auf der Homepage von google.com beworben. Die Seite in der Online-Welt mit maximaler Reichweite. Mehr geht nicht.

  6. reset sagt:

    Man sollte sich auch im Klaren sein, dass das Nexus One primär ein Entwicklerhandy ist, da es nicht gelockt ausgeliefert wird und somit root Funktionen beinhaltet. So etwas möchten die Handyhersteller aber normalerweise gar nicht. Die Klientel ist damit ohnehin sehr begrenzt. Gemessen daran verkauft sich das Handy sehr gut.
    Netter Artikel.

  7. Hendrik sagt:

    Dennoch ist Google.com nur eine Durchgangsseite, die man relativ gesehen, selten mit dem Interesse besucht ein Handy zu kaufen. Der Vertriebsweg entspricht nicht den bisher gelernten Suchmechanismen um ein Handy zu kaufen und für mich noch wichtiger, Google hat ansonsten nicht im entferntesten Hardware Produkte verkauft, die einem etwas im näheren Umfeld diverser Wohnzimmer, Filme, Shopauslagen usw. über die Marke als vertrauenswürdiger Hersteller von anfassbaren Technologieprodukten vermitteln.

    Es ist klar das Apple einen historischen Vorteil durch Vertrauen besitzt… für mich ist eher überraschend, dass die weltweit angesehenste Marke Apple „nur“ einen Veerkaufsvorteil vom 10-fachen Stückwert in so einem Zeitraum erlangt, wenn man bedenkt, wieviel Kult sich um die Marke aufgebaut hat.