Springer ruft die Iphone-Zeitung aus
Von Bernd Kling am 1. November 2009
Springers Chefplauderer Mathias Döpfner macht seine Drohung wahr und bietet News über eine kostenpflichtige Iphone-App an. Er greift allerdings in die unterste Schublade seines Konzerns mit der Berliner Boulevardzeitung B.Z. Ebenfalls die Inhalte vergolden möchte die Süddeutsche Zeitung mit der Anwendung „SZ Gold“ – im Monatsabo für 1,59 Euro.
Die Iphone-Nutzer als besonders zahlungsfreudige Kundschaft ausgemacht hatte Döpfner schon im Sommer und das Handy zur „Zeitung der Zukunft“ erklärt. Den Kampf gegen „die alte Kostenlos-Welt“, die er im Internet sieht, wagt er aber zunächst nur mit einem schon lange angeschlagenen Typ Berliner Boulevardzeitung, die bereits in Prä-Internet-Zeiten unter unaufhaltsamem Auflagenschwund litt. Ausgerechnet die dezimierten Leser dieses Blattes als early adopter?
„Quasi abonniert“
Diese „B.Z. News“ gibt es bereits für 79 Cent auf dem Iphone. Was natürlich ein „Einstiegspreis“ ist, denn ab 2010 wird auf Abo umgestellt. Das Angebot im Itunes-Store präsentiert sich ostentativ mit dem alten Westberlin-Flair, in dem die Boulevardzeitung wurzelt (Abbildung).
Als Zugabe zu den News verspricht Springer „Floating Navigation“. Damit sollen die weltgewandten B.Z.-Leser befähigt werden, durch einzelne Bezirke der Hauptstadt zu navigieren und rund um die Uhr lokale Nachrichten auf Bezirksebene zu empfangen. Sie müssen dafür nicht einmal wissen, wo sie sich befinden, denn ihr Aufenthaltsort wird „durch exakte Geo-Positionierung bezirksgenau bestimmt“, um sie mit Inhalten und den schönsten Fotomotiven der aktuellen Umgebung zu beglücken. Sie dürfen natürlich auch Fotogalerien betrachten, passend zum B.Z-Leserprofil – und nicht zu vergessen der „umfangreiche Berliner Polizeireport“.
Das ist vermutlich noch nicht alles, denn Döpfner hatte schon im August in einem FAZ-Interview die große Handy-Offensive avisiert: „Das mobile Endgerät, das Handy, kann am ehesten die Zeitung der Zukunft sein. Für das iPhone von Apple entwickeln wir sogenannte Apps, also kostenpflichtige Angebote, über die man dann welt.mobil, bild.mobil oder computerbild.mobil bezahlt und quasi abonniert. Im Herbst gehen wir damit auf den Markt.“
„Wir müssen mit dem bodenlosen Verschleudern unserer Inhalte aufhören“
Wie der Zufall will, kam zugleich eine seriöse deutsche Tageszeitung auf die Idee mit der App. Die Süddeutsche geht mit einer bedächtigen Doppelstrategie voran und offeriert ab Mitte November sowohl eine kostenlose als auch eine kostenpflichtige Iphone-Anwendung. Für die SZ-Lese-App in der Variante „Gold“ sind monatlich 1,59 Euro zu löhnen, dafür soll es mehr „Services“ geben als in der Grundausführung.
Die Strategen der SZ knobeln zugleich daran, ob sie den zahlenden Abonnenten der Printausgabe vielleicht mehr für ein „Premiumabo“ abnehmen können, das besondere Funktionen wie etwa mehr Personalisierung auf der Website bietet.
In jedem Fall will Chefredakteur Hans-Jürgen Jakobs in Zukunft stärker geizen, was die Online-Veröffentlichung von Artikeln aus der gedruckten Zeitung angeht. Gegenüber Branchendienst kress erklärte er: „Wir müssen mit dem bodenlosen Verschleudern unserer Inhalte aufhören.“
Ob verschleudert oder nicht, weniger Inhalte werden von weniger Schreibern kommen. Nach 90 Arbeitsplätzen im Vorjahr baut die Süddeutsche Zeitung weitere 30 Arbeitsplätze ab, auch in der Redaktion mit noch 400 Mitarbeitern. So geht das weiter, solange sich die Zeitungsmacher nichts Besseres einfallen lassen als Iphone-Abos.
(bk)
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Screenshots: Itunes Store / B.Z. Ullstein