Und was ist jetzt der Unterschied zwischen Apple TV und Google TV?

Von am 2. September 2010  

Alle drängen ins Wohnzimmer

Apple ist seit Jahren unterwegs ins Wohnzimmer mit Apple TV, bezeichnete aber die bisherigen Versuche selbst immer wieder beschämt als „Hobby“. Im Juni 2010 kündigte auch Google an, den Durchbruch ins Wohnzimmer wagen zu wollen mit ein wenig Hilfe durch die erfahrenen Partner Sony und Logitech.

Noch kurz bevor Google TV da ist, probt auch Apple den erneuten Anlauf mit einem neuen Apple TV. Es ist keine Variation von Mac Mini wie zuvor, kein Computer, vielmehr reduziert auf eine Set-Top-Box für den Fernseher. Statt Festplatte nur noch Flash-Speicher. Statt Kauf und Download von Spielfilmen und TV-Serien nur noch Verleih und Streaming. Das reduziert den Gerätepreis auf 99 US-Dollar, aber auch die Auflösung der Videos auf 720p.

Die strategische Wende verkündete Apple-CEO Steve Jobs mit auffallend aggressiven Seitenhieben, die unmissverständlich auf Google zielten. Nachdem Apple nicht mehr mit einem Computer ins Wohnzimmer will, erklärt Jobs laut und deutlich, wie begriffstutzig das doch sei, wenn es andere versuchten:

„Die Leute wollen keinen Computer auf dem Fernseher. Sie haben Computer. Sie gehen zu ihrem Breitbild-Fernseher, um sich unterhalten zu lassen. Nicht, um einen weiteren Computer zu haben. Für Leute in der Computerindustrie ist das echt schwer zu verstehen, aber es ist leicht für die Verbraucher. Sie kapieren es.“

Um dem Verständnis nachzuhelfen, bietet Apple die einzelnen Episoden von TV-Serien mit 99 US-Cent günstiger an als bisher, kann zu diesem Preis aber vorerst nur Inhalte der Sender ABC und Fox anbieten. Spielfilme hingegen kosten selbst im Streaming 4,99 Dollar. Davon lässt sich gut ablenken mit noch einem Schuss in Richtung Google.

Die Verbraucher verlangten nach Hollywood-Blockbustern und aufwendigen TV-Serien, hob Jobs hervor, nicht etwa nach einer „Amateurvorstellung“ – Google TV will Inhalte von überall aufspürbar machen, natürlich einschließlich Sites mit „Amateur-Videos“. Allerdings spielt auch Apple TV weiterhin YouTube-Videos ab unabhängig davon, ob sie von Amateuren oder Profis produziert sind.

Alle wollen rein

Wenn ein Steve Jobs konkurrierende Angebote schlechtredet, dann sicher nicht ohne Grund. Tatsächlich ist das von ihm jetzt beworbene neue Apple TV extrem reduziert auf ein paar zusätzliche Streaming-Funktionen. Es ist eine weitere Box, die sich an den Fernseher hängen will. Sie macht Streaming über das Internet verfügbar, mehr nicht. Es gibt keine Games und keine Apps, wie manche gehofft hatten, und auch keinen Browser.

Im Vergleich dazu ist Google TV ein überaus ehrgeiziges Vorhaben, das auf die Konvergenz von TV-Gerät und Computer zielt. Intel-Chef Paul Otellini, der dafür eine modifizierte Version von Atom-Prozessoren zuliefert, erklärt das „zur größten Veränderung für das Fernsehen, seit es farbig wurde“. Google liefert dazu die Software, die auf dem etablierten Android OS basiert und herkömmliches Fernsehen mit integrierten Internet-Diensten verbindet.

Sony bringt im Herbst die ersten TV-Geräte und Blu-Ray-Player für Google TV, das mit gezielter Suche nach Inhalten und maßgeschneiderten TV-Apps überzeugen soll. Logitech erweitert das Angebot mit einem ganzen Ökosystem für vorhandene TV-Geräte mit „Companion Box“, Fernbedienung, Controller und mehr.

Die Konzepte könnten unterschiedlicher nicht sein. Branchenbeobachter haben dazu ebenfalls die unterschiedlichsten Meinungen, sagen wahlweise den Siegeszug des einen oder anderen Modells voraus. Analyst Michael Gartenberg verkündete seine Prognose aphoristisch bei Twitter: „Apple und Google gehen ganz unterschiedlich heran. Google möchte Eingang 1. Wird ihn nie bekommen. Apple will Eingang 2 und bekommt ihn vielleicht.“

Eingang 1 bezieht sich auf Googles Versuch, die Set-Top-Box für den Zugang über Satellit oder Kabel zu ersetzen. Apple hingegen möchte nach dieser Interpretation über Eingang 2 den DVD-Player oder die Spielekonsole verdrängen.

Warum noch eine Box?

Wenn zwei sich streiten, könnten sich allerdings auch Dritte freuen. Tatsächlich sitzen die zumindest in den USA längst im Wohnzimmer wie etwa Netflix, das sich rapide vom DVD-Verleih per Post zum Streaming-Anbieter wandelte und nebenbei die führende US-Videotheken-Kette Blockbuster in den Konkurs jagte.

Netflix machte das ganz ohne eigene Hardware, sondern ist einfach auf vielen Geräten zuhause: Auf Mac und PC, aber auch auf Blu-Ray-Player, Videorekorder und vorhandenen Set-Top-Boxen. Und sogar über die Spielekonsolen PS3, Xbox 360 und Wii, die bereits im Wohnzimmer stehen und an den Fernseher angeschlossen sind. Netflix kommt auch gerne als App für das iPad ins Wohnzimmer und erlaubt, mit dem Apple-Tablet per Streaming TV-Serien wie Filme zu sehen.

Der Erfolg von Netflix rührt neben der freien Geräteauswahl aus Pauschaltarifen, die ab 9 Dollar monatlich den unbegrenzten Konsum von Filmen und TV-Serien versprechen. Apple versuchte offenbar vergeblich, die TV-Sender zu einem ähnlichen Pauschalmodell zu überreden. Die Rechteinhaber aber wollten Apples iTunes nicht zu weiterer Marktmacht verhelfen, nachdem es bereits den Verkauf digitaler Musik dominiert.

Abbildung: Apple / Google (Montage: TecZilla)

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