Warum konnte Gravenreuth einfach nicht aufhören?

Von am 23. Februar 2010 2 Kommentare 

Der umstrittene Abmahn-Anwalt liebte es, sich verhasst zu machen, reizte andere bis aufs Blut. Genug war ihm nicht genug, er ging immer noch einen Schritt weiter bis zu seinem letzten.

Nicht aufhören zu können, war sein Schicksal. Es führte letztlich zu der Strafanzeige, die zu seiner rechtskräftigen Verurteilung wegen Betrugs führte. Diese wiederum führte zusammen mit vorhergehenden Urteilen wegen Untreue und Urkundenfälschung zu einer Gefängnisstrafe ohne Bewährung. Als ihr Antritt unausweichlich erschien, erschoss er sich selbst.

Die Anzeige musste erfolgen, weil er die Internet-Domain der Tageszeitung taz mit bewusst falschen Angaben pfänden ließ und zu versteigern drohte, um eine Zahlung ein zweites Mal zu erhalten. Dabei erfolgte sie als letztes Mittel, wie taz-Anwalt Johannes Eisenberg nach dem Urteil in einem Interview erklärte: „Der hat ja immer weiter gemacht. Der hätte ja kalten Gemütes die Domain versteigert. Der war nicht zur Besinnung zu bringen, ohne Strafanzeige.“

Wie viele andere musste ich die Erfahrung machen, dass Gravenreuth selbst bedenkenlos Strafanzeigen einsetzte, um seinen Abmahn-Forderungen Nachdruck zu verleihen, und dabei auf die Mitwirkung oft wenig kenntnisreicher Behörden rechnen konnte. Selbst nachdem er abkassiert hatte, nahm er die Anzeigen nicht zurück, um „weiterhin ernst genommen zu werden von den Staatsanwälten“ und mit ihrer freundlichen Mithilfe erneut Druck auf die nächsten Abmahnopfer auszuüben.

Erstaunlich lange ging das gut, bis er es überzog und nicht nur moralische, sondern auch klare rechtliche Grenzen überschritt. Und sich mit der taz „den Falschen suchte, den er zu bescheißen versuchte“ (Eisenberg).

Ein Leben für den Streit

Es war nicht nur reine Geldgier, die ihn motivierte, obwohl es sein langjähriges Verhalten und insbesondere die Delikte nahelegen, für die er rechtskräftig verurteilt wurde. Er suchte Publicity, ganz besonders gerne auch negative, und Gegenreaktionen jeder Art, von denen er sich umgehend zu erneuten Angriffen reizen ließ. In Münchner Boulevardzeitungen machte er schon vor Jahren angebliche Todesdrohungen gegen sich bekannt. Es könnte die Begründung gewesen sein, um eine Schusswaffe zu erwerben. „Okay – es gibt Sicherungsmaßnahmen“, erklärte er 2001 in einem Interview.

Anders als mit seinem querulantischem Charakter lässt sich kaum erklären, wie sehr er auch in Online-Foren mit jedem in den Clinch ging, der ihm nicht rechtzeitig auswich. Zumindest hier kann es nicht mehr die reine Gier gewesen sein, hier scheint er einfach nur seine grenzenlose Lust am Streiten und Rechthaben ausgelebt zu haben.

Er inszenzierte Streit und reagierte zugleich extrem empfindlich, wenn ihm die Beiträge anderer nicht zusagten, was sie natürlich niemals konnten. Er suchte ganz offensichtlich die Hassreaktionen anderer, schien sie zu genießen und gerne darauf zu reagieren. Seine Troll-Devise verkündete er ganz öffentlich: „Mir machen Streitgespräche Spaß. Im Netz muss man nur ein Reizwort posten und schon ist die ‚ganze Meute‘ an der Decke.“

Auf einer „Cracker-Party“, auf der er sich in früheren Jahren sehen ließ, hing ein Bild von Gravenreuth an der Wand, auf das die Teilnehmer begeistert mit Dart-Pfeilen warfen. Gravenreuth selbst überlieferte, er habe von hinten gerufen „Ich will auch mitspielen“ und sei vom Veranstalter hinausgeworfen worden.

„Von Gravenreuth soll sich nicht mehr ärgern“

Günni nannten sie ihn in den Foren von Heise, Gulli & Co, als wäre er einer der ihren und nicht nur ein verhasster Gegner. Auf der anderen Seite sagt viel über ihn aus, dass er als Günter Dörr geboren wurde und erst später den Geburtsnamen seiner Mutter annahm, einer Freiin von Gravenreuth. Das war ihm so wichtig, dass er vergeblich beim Landgericht München versuchte, die Nennung seines Geburtsnamens in einem Forum verbieten zu lassen.

In den Heise-Foren trieb er es so bunt, dass er schließlich durch ein „virtuelles Hausverbot“ ferngehalten werden musste, da er sich immer wieder unter anderen Namen anmeldete und mit Kommentaren mehr als nur provozierte, um nicht zu sagen trollte. Auch das konnte nicht ohne einen verbissen geführten Rechtsstreit abgehen, das war sich Gravenreuth seiner freiherrlichen Ehre schuldig, bevor ein Gericht das Hausrecht für Forenbetreiber bestätigte.

Auch bei Lawblog.de setzte Gravenreuth eine Flut von Kommentaren ab, die zu erwartende Reaktionen und Gegenreaktionen auslöste, wie von seinem anwaltlichen Kollegen Udo Vetter so anschaulich wie zurückhaltend („Von Gravenreuth soll sich nicht mehr ärgern“) beschrieben. Gravenreuth selbst bewies seine bekannt niedrige Toleranzschwelle und schickte förmliche Aufforderungen, kritische Beiträge über ihn zu löschen.. Bis er schließlich auch noch mit einem Fax nachlegte, in dem er den Begriff „EV“ (Einstweilige Verfügung“ erwähnte und sich mit „(noch) freundlichen kollegialen Grüßen“ verabschiedete – der Freiherr wurde auch bei Lawblog gebeten, künftig von weiteren Kommentaren abzusehen.

Abschied von einer virtuellen Runde

Die Umstände seines Todes legen nahe, dass ihm keine Freunde geblieben sind, auch in seiner nächsten Umgebung nicht. In den kommenden Tagen und Wochen werden vermutlich Psychogramme über einen Freiherrn von Gravenreuth geschrieben, der einfach nur verzweifelt Anerkennung suchte, sie aber auf seine Weise nicht finden konnte. Die Tragik seines Lebens eben. Nicht hier und von mir, die Laienpsychologen mögen andere geben.

Seine Abschieds-E-Mail schließlich ging an eine unbekannte Anzahl von Empfängern, unter ihnen seine ausgesprochenen Lieblingsfeinde. Zwischen manchen seiner Opfer und ihm scheint sich zeitweise sogar so etwas wie eine Hassliebe entwickelt zu haben. Die von ihm schon in den 1980ern verfolgten „Raubkopierer“ von Commodore-C64-Software luden ihn angeblich zu ihren Partys ein.

„Ein letzter Gruß an die Runde“ lautete der Betreff seiner letzten E-Mail, in der er wörtlich ankündigte, sich „eine Kugel in den Kopf zu jagen“. Er führte mehrere Motive an, neben dem überfälligen Strafantritt auch Krankheit und „schwerste Beziehungsprobleme“. Besonders zu schaffen machte ihm offenbar der Hinauswurf aus der katholischen Studentenverbindung Rhaetia, der auch der bayerische Kultusminister angehört. Es habe ihm den „sozialen Boden unter den Füßen weggezogen“, als ihn Rhaetia wegen „verbindungsschädigenden Verhaltens“ ausschloss.

Empfänger der E-Mail alarmierten die Polizei. Als das SEK eintraf, hatte sich Günter von Gravenreuth erschossen.

(bk)

Abbildung: Avjoska / CC

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Kommentare

2 Stellungnahmen zu “Warum konnte Gravenreuth einfach nicht aufhören?”
  1. Ein Freund sagt:

    „Die Umstände seines Todes legen nahe, dass ihm keine Freunde geblieben sind, auch in seiner nächsten Umgebung nicht“

    stimmt dies wirklich, nein

Trackbacks

Was andere über diesen Beitrag sagen ...
  1. Abmahner von Gravenreuth geht mit gutem Beispiel voran ……

    Günter von Gravenreuth und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier Hinweis:Ich weiss das den meisten dazu ganz spezielle Kommentare einfallen.Diese sind hier auch Willkommen, aber nur wenn sie nicht unter…