Wikileaks-Gründer ist wieder da, kündigt neue Enthüllungen an
Von Bernd Kling am 23. Juni 2010
Dokumente und ein Video über einen US-Luftschlag in Afghanistan, bei dem zahlreiche Zivilisten ums Leben kamen
Einen angekündigten Auftritt in den USA sagte Wikileaks-Gründer Julian Assange kurzfristig ab und tauchte für mehrere Wochen unter. Er sprach jetzt erstmals wieder öffentlich – bei einer Konferenz des Europäischen Parlaments zum Thema Informationsfreiheit, bei dem er sich nun wirklich auskennt.
Gleichzeitig ging er in die Offensive durch eine Interviewserie mit europäischen und US-Medien, suchte damit vielleicht den Schutz einer möglichst breiten Öffentlichkeit. Gegenüber der Washington Post kündigte er die Veröffentlichung neuer Dokumente über einen der tödlichsten Luftangriffe an, bei dem zahlreiche Afghanen ums Leben kamen. Laut Assange beziehen sie sich auf den Luftschlag auf Garani im Mai 2009. Später und noch in diesem Sommer sollen Videoaufnahmen von etwa einer Stunde Länge über diesen Luftangriff folgen, die sich offenbar ebenfalls in seinem Besitz befinden.
In einem Telefoninterview mit The Daily Beast versicherte er, es gehe ihm bestens („I’m in good health and good spirits“). Er sei keineswegs besorgt um seine Sicherheit oder die von Wikileaks-Unterstützern, sehr wohl aber um die Sicherheit des US-Soldaten Bradley Manning, der vermutlich das Video über eine Hubschrauberattacke auf Zivilisten in Bagdad an die Öffentlichkeit gebracht hatte und nach einer Denunziation verhaftet wurde: „Eine unserer angeblichen Quellen ist offenbar in Kuwait inhaftiert, und das ist eine ernsthafte Situation.“
Wenn es sich als wahr erweisen sollte, dass Manning das Video öffentlich machte, ist er für Assange nicht nur ein gewöhnlicher Held, sondern „ein Nationalheld“. Er fürchtet, dass ihm das Pentagon eine angemessene juristische Verteidigung verwehrt. Von den 260.000 Dokumenten über die US-Außenpolitik jedoch, die Manning nach eigenen Angaben ebenfalls an die Öffentlichkeit bringen wollte, ist laut Assange bislang nichts bei Wikileaks angekommen.
Gegenüber dem britischen Guardian (gekürzte Übersetzung bei der deutschen Partnerzeitung Freitag) betonte er ebenfalls, sich sicher zu fühlen: „Öffentliche Erklärungen aus den USA waren durchweg vernünftig. Einige private Äußerungen sind allerdings zweifelhafter. Politisch wäre es ein großer Fehler, wenn sie etwas unternähmen. Ich fühle mich absolut sicher … aber meine Anwälte haben wir geraten, in dieser Phase nicht in die USA zu reisen.“
Assange bleibt dennoch Realist: „Wir brauchen Unterstützung und Schutz. Wir haben das. Mehr ist immer hilfreich. Aber wir halten die Situation für stabil und unter Kontrolle. Es gibt keinen Grund, besorgt zu sein. Wachsam sein muss man immer.“
Die BBC erfuhr von Assange, dass Wikileaks Anwälte auch in Kontakt mit der US-Regierung sind. Weder die Regierung noch Verteidigungsministerium noch Außenministerium seien auf Wikileaks zugegangen. Trotz des offiziellen US-Schweigens sei es jedoch „wichtig, in diesen Dingen einen Kommunikationsweg offen zu halten“ – und die gemischten Signale richtig zu interpretieren:
„Die Signale der US-Behörden waren ursprünglich gemischt. Das scheint sich jetzt jedoch zu klären und ich glaube, dass die Vereinigten Staaten verstehen, dass sie sich an die Gesetze halten müssen.“