Windows und Office: Warum Microsoft stagniert

Von am 3. April 2011 3 Kommentare 

Steve Ballmer, CEO MicrosoftDas Ballmer-Dilemma

Microsoft ist ein in der Vergangenheit gefangenes Unternehmen. Es fährt noch immer verlässliche Umsätze und Gewinne ein, verpasst aber seit Jahren die wirklich bedeutsamen Innovationen. Das ist das harte Urteil von früheren Microsoft-Mitarbeitern, die das Wirtschaftsmagazin Fortune befragte.

Seit rund einem Jahrzehnt klebt der Wert von Microsofts Aktien bei 25 US-Dollar, während konkurrierende Unternehmen wie Apple und Google eine steile Aufwärtsentwicklung erlebten. Satt und zufrieden sind die Granden bei Microsoft geworden, ersticken ihnen unliebsame Projekte im Keim. Sie sind weit weniger mit der Konkurrenz außerhalb beschäftigt als mit ihren alltäglichen internen Grabenkämpfen. Mächtige Fürstentümer haben sich innerhalb von Microsoft entwickelt, denen es immer zuerst darum geht, den eigenen Einfluss zu sichern.

Innovation aus eigener Kraft wird erstickt, wie sich mit der schnellen Einstellung des Tablet-Projekts „Courier“ zeigte. Mit Courier verlor Microsoft zudem den erfolgreichen Manager Robbie Bach, verantwortlich für die entertainment and devices division, die mit der Spielekonsole Xbox zuvor einen erstaunlichen Erfolg erzielte. Von außen kommende Innovation wird gleichermaßen effektiv ausgefiltert, wie es das Team von Danger, Inc. erleben musste, einem 2008 von Microsoft zugekauften Unternehmen. Danger war einst von Andy Rubin mitgegründet worden – der später Android gründen sollte. Android wiederum ist inzwischen bei Google zum weltweit führenden Smartphone-Betriebssystem herangewachsen, während Microsoft in diesem Wachstumsbereich so gut wie keine Rolle mehr spielt.

Windows und Office gehen vor

„Project Courier“ wurde von Microsofts CEO Steve Ballmer persönlich abgesagt, weil es mit einem von Windows abgeleiteten Betriebssystem laufen sollte, aber eben nicht mit Windows. Ähnlich hatte es Apple mit iOS vorgemacht, das auf Mac OS X basierte, aber eigene Wege gehen durfte und damit den Erfolg von iPhone und iPad ermöglichte. Die Windows-Fraktion bei Microsoft sah ihre Pfründen in Gefahr und setzt jetzt lieber auf Courier-Features in Windows 8 oder vielleicht auch Windows 9. Mit dem entscheidenden Nachteil für Microsoft, frühestens Ende 2012 über ein für Tablets besser geeignetes Betriebssystem verfügen zu können.

Die Danger-Entwickler wiederum, berühmt für den erfolgreichen Smartphone-Vorläufer Sidekick, der ähnlich wie Android vor allem auf Java-Software setzte, wurde zum Umstieg auf Windows Phone 7 gezwungen. Microsofts neues Handy-OS war jedoch erst teilweise fertiggestellt und zwang zu Improvisationen. Aus der Danger-Abteilung kam schließlich mit dem „Social Phone“ Kin ein absoluter Flop in den Markt, den Microsoft schon nach 48 Stunden wieder zurückziehen musste.

Es sind zwei typische Beispiele dafür, wie die Interessen von Windows und Office das Schicksal von Microsoft bestimmen. Um diese beiden Gelddruckmaschinen gruppieren sich die mächtigsten Interessengruppen innerhalb von Microsoft und verteidigen jeden Zentimeter an Boden. CEO Steve Ballmer sieht sich als Vermächtnisverwalter von Gründer Bill Gates. Gates selbst hatte in seiner aktiven Zeit bei Microsoft Windows als unantastbar erklärt und alles unterbunden, was seiner Windows-Strategie widersprach.

Ein früherer Mitarbeiter erinnert sich an Gates‘ vehemente Reaktion, als er ihm ein neues Feature vorschlug: „That sounds like the f*** Windows strategy. Do you want to f*** Windows? How about you? You?“ Dabei ging Gates um den Tisch herum und machte den Entwicklern klar, dass sie diese Grenze niemals überschreiten durften.

Microsoft aufteilen?

Ein Strategiewechsel bei Microsoft ist nicht in Sicht. Gelegentlich fordert ein Investor Ballmers Rücktritt, aber das bekommt wenig Resonanz, solange das Unternehmen dank Windows und Office gute und berechenbare Gewinne verspricht und auch liefern kann. Das könnte sich vielleicht schneller als gedacht ändern, da Microsoft auch Cloud Computing zu lange als etwas ansah, das nicht mit den eigenen Windows- und Office-Strategien harmonierte.

Die Hälfte der von Fortune befragten 16 „Ex-Softies“, wie Microsofts frühere Mitarbeiter sich nennen, hält die Zeit reif für Ballmers Abgang. Nur wenige wollten ihm ausdrücklich bestätigen, einen guten Job zu machen. Einige halten sogar für sinnvoll, Microsoft aufzuspalten in mehrere einzelne Unternehmen. Es ist ein Vorschlag, der regelmäßig von Analysten und Branchenbeobachtern zu hören ist.

Ein Kern-Microsoft könnte auch weiterhin mit Windows machen, was immer es will. Ein Office-Unternehmen könnte auch Apps für iPad und Android entwickeln, ohne immer zuerst Windows berücksichtigen zu müssen. Ein ausgegründetes Unternehmen für Business-Software könnte sich auch stärker anderen Plattformen zuwenden und hätte damit bessere Chancen, Oracle und SAP herauszufordern. Produktlinien wie Bing und Xbox müssten sich aus eigener Kraft beweisen, könnten sich nicht länger auf die mit Windows und Office erwirtschafteten Zuschüsse verlassen – und wären zu echten Innovationen gezwungen.

Andere meinen, Microsoft sollte zumindest alle Unternehmensteile verkaufen, die an Produkten für private Verbraucher arbeiten, und sich vor allem auf geschäftliche Kunden konzentrieren. CEO Steve Ballmer hält das alles für abwegig und hat nicht die geringsten Absichten, seinen Kurs zu ändern. Er kann stets auf die noch immer anhaltend guten Gewinne verweisen, eine Gewinnspanne von mindestens 60 Prozent bei Office und zeitenweise bis zu 80 Prozent bei Windows. Solange diese Gewinne sprudeln, ist Microsoft vielleicht sogar zum Stillstand gezwungen – selbst wenn es letztlich zum Niedergang des Unternehmens führt.

Abbildung: Jesús Gorriti / CC (Microsoft-CEO Steve Ballmer)

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Kommentare

3 Stellungnahmen zu “Windows und Office: Warum Microsoft stagniert”
  1. Feature sagt:

    „Ein früherer Mitarbeiter erinnert sich an Gates’ vehemente Reaktion, als er ihm ein neues Feature vorschlug“
    Um was für eine Neuerung ging es dann da?

  2. DiableNoir sagt:

    Eine Zerschlagung in unzählige Teile wäre wohl zu viel des Guten. Immerhin müssen diese Teile auch koordiniert werden und können ganz sicher nicht völlig unabhängig agieren. Dafür gibt es viel zu viele Abhängigkeiten in den Produkten.

    Dagegen wäre eine Zerschlagung in ein Microsoft für Windows, eines für Office und eines für Gaming & XBox sicher sehr sinnvoll.

  3. Crissfader sagt:

    Microsoft muss investieren und seine Strategie auf innovative Anwendungen wieder konzentrieren! Windows, Word und Explorer ist vorbei!
    So wie sie es mit dem Investment in Facebook getan haben. Nur hätten die früher einsteigen müssen, um mehr Anteile sich zu sichern!
    Um jetzt im Zeichen der Zeit zu bleiben, müssen sie Google beobachten, und Facebook-kompatible Anwendungen sich sichern. (Pendant aufbauen zu Disco.com – jüngste Übernahme von Google) zB MUSICJOCKEY.de

    Mit Eigenentwicklungen kommt Microsoft derzeit nicht weit. Sie müssen sich Ressourcen einkaufen bzw. in StartUPs investieren.