Apple verbietet politische Karikaturen auf dem Iphone, erlaubt sie wieder
Von Bernd Kling am 15. November 2009
Apple äußerte sich nicht weiter zu der bevormundenden Fehlentscheidung, mit der harmlose Karikaturen der 540 US-Volksvertreter vom Iphone verbannt wurden, hob sie nach öffentlicher Entrüstung kommentarlos wieder auf. Selbst eingeschworene Apple-Fans tun sich schwer, das anmaßende Verhalten zu rechtfertigen.
„Apple kam gestern wieder zur Vernunft“, berichtet der betroffene Karikaturist Tom Richmond, bekannt aus dem Satiremagazin MAD und mehrfach als „Karikaturist des Jahres“ ausgezeichnet. Er vermutet stark, dass Presseberichte und Apples Furcht vor Imageverlust zum Einlenken führten. Zuvor hatte Apple die Anwendung „Bopple Heads“ mit der absurden Begründung abgelehnt, Karikaturen von Politikern seien geeignet, Personen des öffentlichen Lebens lächerlich zu machen – verboten nach den Hausregeln von Apples App Store. Jetzt kann sich der Zeichner darüber freuen, dass seine Anwendung zum günstigen Preis von 99 Cent im App Store zu bekommen ist.
Um rechts oder links ging es bei der neuesten Apple-Affäre gar nicht, falls jemand darauf warten sollte. Vielmehr gilt der Produzent der zunächst verbannten Apple App, Filmregisseur Ray Griggs, als eindeutig rechts, während sich Karikaturenzeichner Tom Richmond selbst als links von der Mitte einsortiert. Was sie nicht an der Zusammenarbeit für eine Anwendung hinderte, mit der Iphone-Nutzer befähigt werden sollten, sich in unterhaltsamer Weise über ihre Parlamentsabgeordneten zu informieren und mit ihnen in Verbindung zu treten. Eine gute demokratische Absicht, die im ersten Anlauf an den diktatorischen Prozeduren von Apples App Store scheitern sollte.
Selbst das TV-Network Fox News aus dem Hause des megalomanischen Medienmoguls Rupert Murdoch (der gibt seinen Kommentatoren sogar dann noch Rückendeckung, wenn sie den gewählten Präsidenten Barack Obama als Rassisten diffamieren), eindeutig republikanisch orientiert, schien das nicht ganz in Ordnung zu finden. Fox News erwähnte mehrere E-Mails, die Ray Griggs erhalten habe, denen zufolge eine Rolle gespielt haben könne, dass der Ehemann der karikierten demokratischen Politikerin Nancy Pelosi (Abbildung) im Besitz von Apple-Aktien sei. Auch eine nette Verschwörungstheorie – bei Apple macht sich eben jeder sein Bild.
„Außerdem ist Apple nicht unbedingt regierungsfern …“
Wir leiden aufrichtig mit besonders Apple-geneigten Verbrauchern, die diese fortlaufenden Kapriolen Apples unter Schmerzen nachvollziehen müssen und zugleich unter einem inneren Zwang zu leiden scheinen, sie auch noch zu rechtfertigen. Kathrin G. zum Beispiel versuchte die Götter von Cupertino in Schutz zu nehmen und ihre Zensurmaßnahmen verständlich zu machen:
„Meine Vermutung ist schlichtweg, dass sie sich in dem Fall absichern wollen, um mögliche Klagen der Abgeordneten zu vermeiden Außerdem ist Apple nun nicht unbedingt regierungsfern, und da will man sich den Status ja nicht durch so eine App verhunzen lassen…“
Sie ignorierte dabei allerdings bewährte rechtsstaatliche Traditionen demokratisch verfasster Länder, die es Politikern eben nicht erlauben, sich missliebiger Darstellungen auf dem Klageweg zu entledigen. CNN Money sah das zuvor schon klarer: „Jemand bei Apple sollte einen Auffrischungskurs in amerikanischer Geschichte nehmen – und vielleicht auch eine Lektion im Verleumdungsrecht.“
Reagiert hatte sie auf einen Kommentar ihres Lesers Jim P. Der wollte gar nicht erst diskutieren, sondern erhob Apple in den Rang des Türstehers vor einem Club, der rechtmäßig vor dem Anblick unliebsamer Karikaturen schützt:
„Was Apple betrifft, tja, das ist deren Store und die entstscheiden was reinkommt. Das ist eine Diskussion nicht wert, genauso wenig, wenn der Türsteher vor dem Club einen nicht reinlassen will. Das ist seine Entscheidung, egal wie blöd die sein mag… Es ist sein gutes Recht!“
Wie unfehlbar ist Apple?
Zuvor hatte News-Verfasser Thomas B. in der gleichen Publikation, die wir hier nicht etwa namentlich entblößen wollen, Apples Karikaturenprobleme einfühlsam mit einer Governator-Attacke zu erklären versucht:
„Vielleicht möchte sich Apple nicht der Gefahr aussetzen, für die App verklagt zu werden, wie es einem Bobble-Head-Hersteller aus Ohio 2004 passierte, als er eine Figur von Arnold Schwarzenegger herstellte. Andererseits könnten sie auch Angst vor humorlosen Kunden haben, die die Telefonleitungen durch Beschwerden zum Glühen bringen könnten.“
Die Kunden noch humorloser als Apple? Außerdem übersah Thomas B., dass es bei Schwarzeneggers Feldzug gegen den Wackelkopf-Arnold um Action-Figuren ging, um Mechandising-Produkte, nicht um die gezeichneten Karikaturen von Politikern, die sich einer kritischen Öffentlichkeit zu stellen haben. Das Schwarzenegger-Duell im Jahr 2004 ging im Übrigen wie das Hornberger Schießen aus: Arnie einigte sich mit dem Hersteller darauf, dass er die 20-Dollar-Puppen weiter herstellen durfte – nur eben ohne das Sturmfeuergewehr, das Schwarzeneggers Ebenbild zum seriösen Geschäftsanzug trug.
Und jetzt? Neue Argumente, nachdem Apple die absolut harmlosen Karikaturen endlich erlaubt und wortlos in den App Store lässt? Lasst euch was einfallen, Fanboys und Fangirls!
(bk)
Zum Thema bei TecZilla:
Iphone-Verbot: Keine Karikaturen von Politikern!
Apple: Wir zensieren keine Wörterbücher!
Iporn-Affäre: Girls, die zu heiß für das Iphone waren
Zum Thema im Web:
Abbildung: Tom Richmond