Bahn unterfährt Internetforen

Von am 30. Mai 2009  

deutsche-bahn-logoVon Demokratie und freier Meinungsbildung scheint die Deutsche Bahn AG wenig zu halten. Lobby-Beobachter decken die zweifelhaften Aktivitäten auf, die von manipulierten Meinungsumfragen bis zum massiven Kommentarspam in Online-Publikationen reichen.

Festgestellt wurde es von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG in einer Sonderprüfung. Enthüllt hat es die Initiative LobbyControl in ihrer Kurzstudie „Jenseits des öffentlichen Interesses – Die verdeckte Einflussnahme der Deutschen Bahn AG für die Bahnprivatisierung“. Die Deutsche Bahn AG bestätigte inzwischen die verdeckten PR-Aktivitäten und ließ den für das kommunikative Falschspiel verantwortlichen Manager fallen.

1,3 Millionen Euro soll der Spaß gekostet haben. Die Kohle floss über die Lobby-Agentur „European Public Policy Advisers GmbH“ (ERPA) ab, gegründet von einem früheren CDU-Mitarbeiter, der auch schon als Lobbyist für den Tabakkonzern Philipp Morris aktiv war. Um Kleinteiliges soll sich eine „Denkfabrik“ namens berlin-polis e.V. gekümmert haben, die sich „selbständig und unabhängig“ nennt.

Jeden vierten Kommentar schrieb die Bahn

Neben der Bahnprivatisierung ging es den medialen Falschspielern insbesondere auch darum, die öffentliche Meinung im Tarifkonflikt zwischen Bahn und der Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL) zu manipulieren. Unter massiven Beschuss kamen das ARD-Angebot tagesschau.de, Zeitungen und Zeitschriften. In drei Bahnforen von Spiegel Online waren „etwa ein Viertel der Beiträge verdeckt im Auftrag des bundeseigenen Konzerns gepostet“, wie die Publikation jetzt selbst berichtet.
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Dazu kamen die traditionelle Methode bezahlter Leserbriefe in Printmedien sowie verdeckt platzierte Videos in Internet-Communities und bezahlte Beiträge in Radiosendern. Mit eingespannt wurden offenbar Promis mit Namen wie Barbara Eligmann und Hans Meiser.

Wie vom umstrittenen Verein Deutsche Kinderhilfe in seiner Lobby-Aktivität für Internetsperren praktiziert, kam auch die Methode der passend gemachten Meinungsumfragen zum Einsatz, die mit entsprechend aufbereiteten Fragestellungen das gewünschte Ergebnis bringen. Eine andere Umfrage zum Thema Internetsperren zeigte bereits, dass mit anderer Fragestellung genau gegenteilige Ergebnisse zu erzielen sind.

In ähnlicher Weise ging vermutlich Berlinpolis vor, wäscht nun aber die Hände in Unschuld mit einem Nicht-Dementi: „Von Berlinpolis in Auftrag gegebene Meinungsumfragen beruhen auf von Berlinpolis selbst erstellten Fragen.“ Die Agentur bestreitet zudem, eine unmittelbare Vertragsbeziehung mit der Bahn gehabt zu haben, was niemand behauptet hatte. Ihre schriftliche Stellungnahme schließt aber natürlich nicht aus, Aufträge über den Bahn-Lobbyisten ERPA erhalten zu haben.

Anti-Korruptionsbeauftragter löscht Skandal-Datenbank

Unklar bleibt, ob die Bahn in der Manipulationsaffäre wirklich die Karten auf den Tisch legt. Sie informierte bisher nur vage über ihre verdeckten Medienmanipulationen, ohne sie im Detail zu enthüllen. Die Antwort auf weitere Fragen von LobbyControl blieben bislang aus.

Die bisherigen Fahrpläne der Bahn im Umgang mit Skandalen geben begründeten Anlass zur Skepsis. Erinnert sich noch jemand an die Datenschutzaffäre der Deutschen Bahn? Die Bahn jedenfalls vermag sich nicht mehr so richtig zu erinnern.

Sie verdrängte die Vorgänge nicht nur, sondern ließ gleich die Fakten löschen. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, ordnete ausgerechnet der frühere Anti-Korruptionsbeauftragte der Deutschen Bahn am 20. Januar die Vernichtung der „Ereignisdatenbank Ermittlungen“ an, in der alle seit 2001 erfassten Verstöße gegen die eigenen Unternehmensrichtlinien erfasst waren.

(bk)

Abbildungen: Moritz Eyer / CC (Logo der Deutschen Bahn auf einer Lokomotive) / Cezary Piwowarski / GNU (DB Tower)

Zum Thema bei TecZilla:

92 Prozent der Deutschen für Sperrungen im Internet – ehrlich?

Belkin und die gekauften Rezensionen bei Amazon

Zum Thema im Web:

LobbyControl

„Die verdeckte Lobbyarbeit der Deutschen Bahn für die Bahnprivatisierung“ (LobbyControl, PDF)

Spiegel (Vorabmeldung)

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