BILD-Girl in Gefahr:Verleger blasen zum Widerstand gegen Apple

Von am 25. Februar 2010 2 Kommentare 

Bildzeitung für das iPhone:
Nackt-Schüttel-Verbot erregt Verlegerverband

Die deutschen Verleger hofften, dank Apps für iPhone und iPad ihre traditionellen Geschäftsmodelle unverändert in die Zukunft retten zu können. Apples neue Zensurwelle hat sie unsanft aus ihren Träumen gerissen.

„BILD-Girl ausgeschüttelt?“ fragte ich mich bereits am Montag, als erstmals über Apples aktuelle Zensurwelle zu berichten war, der inzwischen rund 6.000 Anwendungen zum Opfer fielen, die zuvor von Apple abgesegnet und im App Store erhältlich waren. Das war noch überwiegend ironisch gemeint, erschien es doch wenig wahrscheinlich, dass Apple es sich nicht nur mit den App-Entwicklern verdirbt, sondern auch noch mit den Verlagskonzernen, auf deren Inhalte das iPad für einen flüssigen Marktstart angewiesen ist.

Inzwischen jedoch ist bei Bild-Boss Kai Diekmann und seinen Mannen der kalte Angstschweiß ausgebrochen. Sie gehen davon aus, so haben sie es dem ebenfalls mit einer App für das iPhone engagierten Spiegel verraten, dass Apple die neue Version der Bild-App nicht für den App Store absegnen werde. Wegen nackter Mädchen in der Boulevardzeitung, die für Apple eben „offenkundig sexuelle Inhalte“ darstellen wie Wobble iBoobs und einschlägige Anwendungen, die bereits den Rauswurf aus dem Apple Store hinter sich haben.

„Heute sind es nackte Brüste …“

Dabei war der Springer-Konzern bereits eingeknickt und hatte das Girl, das zuvor durch Schütteln des iPhone echt nackich zu machen war, begleitet von Juchzlauten, züchtig entschärft. Noch so heftiges Schütteln wirft die Kleidung seither nur noch bis auf den Bikini ab.

Nun können Bild-Leser weniger leicht als Playboy-Käufer (deren Apps Apple unangetastet ließ) glaubhaft behaupten, sie würden das Leib- und Magenblatt nur wegen der Texte kaufen. Die Bild-Macher kennen ihre Leser und wissen, ohne BILD-Girl, Schütteln und all das geht nichts. Deshalb fuhren sie umgehend eine Kampagne in eigener Sache hoch, trommelten ganz überraschend für Grundwerte wie Pressefreiheit: „Heute sind es nackte Brüste, morgen womöglich redaktionelle Artikel.“

Das Echo kam sogleich vom angerufenen Verband Deutscher Zeitschriftenverleger. Dessen Geschäftsführer Wolfgang Fürstner kündigte lautstark Widerstand gegen Apple an, gerade noch der Wunschpartner für eine sorglose digitale Zukunft: „Wir können und werden als Verlage unsere Seele nicht verkaufen, nur um ein paar Kröten von Apple zu bekommen.“

Während es heute nur nackte Brüste und andere angeblich sexistische Inhalte seien, könnten es morgen wichtige gesellschaftliche und politische Themen sein, die den Verantwortlichen von Apple missfallen: „Das ist Zensur und davor müssen wir uns schützen.“

Politische Zensur, wie sie Apple gefällt

Klar erkannt, aber das hätten die Verleger nun wirklich früher wissen können, hätten sie sich die laufenden Zensurpraktiken Apples angesehen. Politische Zensur ist alles andere als neu in Apples App Store. Eine Anwendung mit harmlosen Karikaturen von US-Politikern fiel ihr zum Opfer – „weil sie Inhalte enthält, die Personen des öffentlichen Lebens lächerlich machen“. Erst nach unerwartetem öffentlichen Aufschrei wurde die App kommentarlos doch noch zugelassen.

Nicht, das so etwas nicht auf Verständnis bei einer Apple-nahen Publikation wie Macnotes.de stoßen könnte. „Außerdem ist Apple ja nun nicht unbedingt regierungsfern, und da will man sich den Status ja nicht durch so eine App verhunzen lassen“, argumentierte deren Chefredakteurin Kathrin Grannemann eilfertig (mit dem Kürzel kg kommentierend). Waren sie vielleicht in den Chefetagen von Springer AG und Spiegel Verlag ähnlich blauäugig, gar in ihre iPhones verliebt?

Noch krasser war die politisch motivierte Zensur der Anwendung iSinglePayer. Sie nahm zugunsten einer Reform des katastrophalen Gesundheitswesens Stellung, um die US-Präsident Barack Obama noch immer kämpft. Apple ließ diese Anwendung nicht in den App Store, da sie „politisch belastet“ wäre, wie hier bereits am 30. September 2009 berichtet. Das sagte schon viel aus über Apples Zensurwillen und vielleicht auch die politischen Positionen des Apple-Managements, denn konservativ gesinnte Apps schafften es zugleich locker in den App Store.

„Nicht dem Diktat von Apple unterwerfen“

Das sahen die deutschen Verleger nicht oder wollten es nicht sehen. Ihre Publikationen berichteten auch nicht darüber. Erst als Apples scheinheilige Zensur das Geschäftsprinzip in Gefahr brachte, das in ihrer ehrenwerten Branche schon immer mit Arsch & Titten umschrieben wird, fielen ihnen wieder Meinungsfreiheit und all das ein.

VDZ-Vorsteher Fürstner will nach der Affäre um das BILD-Girl nun eine internationale Affäre daraus machen. Beim Weltverband der Verleger FIPP in Berlin möchte er nächste Woche „darauf hinwirken, dass die Verleger geschlossen bei Apple vorstellig werden, um ihr Anliegen vorzubringen“.

Zwar wollen sie „erst einmal für Verständnis werben“, und Apple sei ein willkommener Partner. Doch nachdem das BILD-Girl nicht mehr vollständig zu entkleiden ist, sind die Reihen dieser mutigen Kämpfer für die Pressefreiheit dicht geschlossen:

„In keinem deutschen Verlag wird ein Geschäftsmodell eine Chance haben, bei dem sich die Verleger dem Diktat von Apple unterwerfen müssen und ihre Pressefreiheit der Marktmacht von Apple opfern.“

(bk)

Screenshot: Axel Springer / Apple App Store

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Kommentare

2 Stellungnahmen zu “BILD-Girl in Gefahr:Verleger blasen zum Widerstand gegen Apple”
  1. Alexander Kramer sagt:

    Ich bin MacBook User und habe ein iPhone und möchte auch ein iPad. Weil ich die Produkte toll und reif finde.

    Was die Zensur angeht so muss ich der Allgemeinheit recht geben. Selbst wenn es Porno-Apps gäbe: Was geht es Apple etwas an?? Sie sind nicht für die Apps verantwortlich und sollten Freiheit gewähren lassen. Ich denke wenn sich Verlage wehren wird auch Apple zurückschrauben.

  2. Karsten sagt:

    … ich sag nur: Auf bild.de sind die Mädels immer noch nackt. Und ich bin mir nicht sicher, ob bei Programmen tatsächlich die gleichen Maßstäbe für Pressefreiheit etc, gelten müssen. Keiner zwingt die Verlage, diesen Vertriebsweg zu nutzen.