Das 1,9-Millionen-Urteil: Pyrrhussieg der Musikindustrie

Von am 19. Juni 2009  

richterhammer-2202Für 24 Filesharing-Songs soll eine 32-jährige Mutter 1,9 Millionen US-Dollar bezahlen, befand ein Gericht im neu aufgerollten Verfahren. Dieses Hammerurteil schadet der Anti-Piraterie-Kampagne des Lobbyverbandes RIAA mehr als alles andere, sagt ein führender Copyright-Anwalt.

Der New Yorker Anwalt Ray Beckerman erklärt es zum Schadensfall für die Recording Industry Association of America (RIAA) selbst:

„Das mag absurd klingen, aber dieses astronomische Urteil könnte der RIAA mehr schaden als helfen. Denn es illustriert auf anschauliche Weise, wie indiskutabel die Schadenstheorien der RIAA sind nach jahrzehntelangen Präzedenzfällen zu vernünftigen Maßstäben gesetzlich festgelegter Schadenssummen bei Copyright-Verletzungen.“

Verfassungsrechtliche Fragen

Das gehe sogar gegen ein ganzes Jahrhundert von Präzedenzfällen, nach denen „verhängte Bußzahlungen verfassungswidrig sind, wenn sie in einem überzogenen Maß unverhältnismäßig sind gegenüber dem tatsächlich entstandenen Schaden“. Er hege keinen Zweifel daran, dass der Urteilsspruch keinen Bestand haben könne.

Jammie Thomas-Rasset wurde von der Jury verurteilt, an sechs Musikfirmen jeweils 80.000 $ für jeden der 24 Songs zu zahlen, die sie über das Filesharing-Netzwerk von Kazaa bereitgestellt haben soll. Dabei ging die Jury noch nicht einmal an die Grenze, denn das Gesetz sieht sogar eine Strafe bis zu 150.000 $ je Song vor.

Die Electronic Frontier Foundation (EFF) erklärte, das Urteil werfe mehrere verfassungsrechtliche Fragen auf. Die Anwälte der RIAA hätten die verfassungsrechtliche Linie überschritten, wenn sie die Jury zu dieser harten Linie drängten, um eine „Botschaft“ nach draußen zu schicken.

Verteidigung kämpft weiter

Charlie Demerjian (richtig, den wir aus den investigativeren Zeiten des Inquirer kennen) verfolgte die Verhandlungstage im Gericht. Er berichtete bei SemiAccurate ausführlicher und präziser darüber als alle anderen Medien. Er ließ auch Jammie Thomas-Rasset zu Wort kommen, die einen von der RIAA angebotenen Vergleich „lächerlich“ nannte. Die RIAA werde kein Glück haben, erklärte sie mit einem bildhaften Vergleich: „Man kann kein Blut aus einer Rübe quetschen.“ Sie sei bestürzt, aber sie wolle sich nicht übermäßig beunruhigen, da sie ohnehin nichts ändern könne.

Charlies Ausblick auf das weitere Verfahren:

„Verteidigungsanwalt Kiwi Camara blieb kühl und entschlossen und verwies auf verschiedene Optionen für die Verteidigung. Er nannte eine mögliche Berufung beim 8. Berufungsgericht und die weitere Option einer Sammelklage gegen die RIAA. Die Verteidigung beendete ihre Konferenz mit der Bemerkung, das Urteil sei eine verlorene Schlacht, doch sie sei überzeugt, sich am Ende durchsetzen zu können.“

Für wünschenswert und denkbar hält auch Charlie Demerjian, dass das absurde Millionen-Urteil „letztlich eine realistischere legale und verfahrenstechnische Situation herbeiführt“.

(bk)

Zum Thema im Web:

Computerworld

Golem

SemiAccurate

EFF

Abbildung: Avjoska / CC

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