Das Facebook-Smartphone kommt – kommt nicht – kommt …
Von Bernd Kling am 28. Mai 2012
Facebook arbeitet offenbar ernsthaft an der Entwicklung eines eigenen Smartphones und hofft, es im nächsten Jahr in den Markt bringen zu können. Das Unternehmen soll dafür ein gutes halbes Dutzend Software- und Hardwarentwickler angeworben haben, die zuvor für Apple tätig waren und dort an iPhone und iPad arbeiteten.
So hat es das Bits-Blog der New York Times von Mitarbeitern Facebooks sowie Entwicklern gehört, die von Personalvermittlern kontaktiert wurden. Sie wollten anonym bleiben, um Jobs oder Beziehungen mit Facebook nicht zu gefährden. Einer berichtete sogar von einem Gespräch mit Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, der präzise und kenntnisreiche Fragen zu Smartphone-Hardware einschließlich der verbauten Chips gestellt habe.
Zuckerberg scheint das Smartphone-Projekt von Facebook, über das seit 2010 wiederholt berichtet wurde, zur Chefsache gemacht zu haben. Der erste Versuch, auf Android-Basis ein eigenes Mobiltelefon zu entwickeln, soll allerdings an unerwarteten Schwierigkeiten gescheitert sein. Laut All Things D wurde das Projekt aber im letzten Jahr mit dem Codenamen „Buffy“ neu aufgelegt. Es soll weiterhin auf Android beruhen und mit HTC als Hardwarepartner realisiert werden. Facebook wollte die Meldungen weder bestätigen noch dementieren.
Facebooks Dilemma: mobile Werbung
„Mark ist beunruhigt darüber, dass Facebook einfach eine App auf anderen mobilen Plattformen werden könnte, wenn er nicht in naher Zukunft ein Mobiltelefon schafft“, hat Times-Reporter Nick Bilton von einem Mitarbeiter Facebooks gehört. Zuckerbergs Unruhe könnte der missglückte Börsengang noch erheblich gesteigert haben, der insbesondere durch rasch sinkende Kurse Schlagzeilen machte. Sie liegen inzwischen weit unter dem Ausgabepreis.
Vor allem zu den großen institutionellen Anlegern war durchgedrungen, dass die zunehmend mobile Nutzung des Sozialen Netzes über Smartphones und Tablets die Gewinne einbrechen lässt. „Wir erwirtschaften derzeit keine bedeutsamen Einnahmen aus der Nutzung mobiler Facebook-Produkte“, warnte das Unternehmen selbst in seinem Börsenprospekt. „Unsere Fähigkeit, das zu tun, ist noch nicht erwiesen.“
Mit einer eigenen Smartphone-Plattform könnte Facebook auf mehr Werbeeinnahmen hoffen, als wenn es nur mit seinen Apps an Apples iOS und Google Android partizipiert. Aber auch mit den finanziellen Mitteln Facebooks und erfahrenen Entwicklern bleibt es schwierig, eine weitere erfolgreiche Plattform zu schaffen. Die Frage ist, ob das Zeitfenster nicht längst geschlossen ist – wie es Microsoft eben mit Windows Phone zu erleben scheint.
„Facebook baut sein Smartphone vor unseren Augen“
Sollte es Facebook nicht im Alleingang schaffen, kombiniert Nick Bilton, könnte es auch einen bedrängten Smartphone-Hersteller wie RIM oder sogar HTC übernehmen. Mit den 16 Milliarden Dollar, die beim Börsengang hereinkamen, wäre es zumindest kein finanzielles Problem, da beide Hersteller weit niedriger bewertet sind.
Bilton hat sich einen Namen gemacht mit frühen Informationen, die sich später als richtig erwiesen. Schon im Mai 2010 berichtete er beispielsweise über Amazons Pläne, mit einem Kindle-Tablet gegen das iPad anzutreten. Für ein Facebook-Smartphone könnten zudem seine eigenen Apps und vor allem das in diesem Monat angekündigte „App Center“ sprechen, das in Konkurrenz zu Google Play und Apples App Store geht.
In dieser Woche wurde mit „Facebook Camera“ eine App vorgestellt, wie sie jedes Smartphone braucht. „Facebook Messages“ bietet sich als Antwort auf BBM, iMessage und SMS an. Facebook hat für eine Milliarde Dollar die Foto-Sharing-App Instagram gekauft und verhandelt jetzt angeblich über den Kauf von Opera, das vor allem mit seinem Mobilbrowser erfolgreich ist. „Facebook baut das Facebook-Phone direkt vor unseren Augen“, schließt Business Insider aus diesen Entwicklungen.
Abbildung: johnnymip / CC