Ein Jahr mit Ubuntu Linux
Von Bernd Kling am 14. April 2012
Überleben ohne Mac und Windows
Nach einem Jahr mit Ubuntu auf Desktop und Notebook ist es Zeit, Bilanz zu ziehen. Ich hatte zwar schon Jahre zuvor eine Linux-Distribution nach der anderen als zweites Betriebssystem installiert, sie aber nicht dauerhaft und ausschließlich als Arbeitsplattform genutzt. Seit einem Jahr läuft alles mit Ubuntu.
Windows hatte sich mit Vista endgültig disqualifiziert, das davon abgeleitete Windows 7 reizte gar nicht erst. Den Abschied von OS X beschleunigten sommerliche Temperaturen. Ein sich ständig überhitzendes Macbook überstand den letzten Sommer nicht, pünktlich nach dreijähriger Nutzung. Gute Gründe, es mal wieder mit Linux auf dem Desktop zu versuchen.
Die Installation verlief nicht nur problemloser als in Erinnerung. Sie trug auch über die Hürde des Multi-Monitor-Systems, die früher beschwerlich genug war, um mich abzuhalten. Ubuntu 10.04 ließ sich auch mit drei Monitoren erfolgreich einrichten. Nicht dass es ein Kinderspiel gewesen wäre, aber der erforderliche Anlauf war deutlich einfacher zu bewältigen als zuvor unter Windows. OS X darf wohl auch hier noch für sich in Anspruch nehmen, das übliche Quentchen benutzerfreundlicher zu sein – erfordert dafür aber auch den mehrfachen Aufwand an Hardware.
Sogar eine experimentelle Installation auf einem Asus-Netbook der ersten Generation – original Eee PC 700 – gelang. Hier musste allerdings – wegen des SSD-Laufwerks mit nur 4 GB Speicher – noch die Netbook-Edition von Ubuntu zum Einsatz kommen. Auch wenn der Versuch gelang, ein echtes neues Leben konnte auch Ubuntu dem Pionier-Netbook mit seiner geringen Displayauflösung nicht schenken.
Klar bewährt hat sich seither Ubuntu auf Lenovo Thinkpad X121e. Das relativ leichte und kompakte 11-Zoll-Notebook hat mein Macbook ersetzt. Es läuft mit AMD Fusion, erfrischend kühl und für meine mobilen Einsatzzwecke zufriedenstellend schnell – zum nicht mal halben Preis. Ubuntu 11.04 ließ sich hier ohne besondere Anpassungen installieren. Auch manchmal heikle Funktionen wie Audio und die Helligkeitseinstellung für den Bildschirm machten keine Probleme, verlangten nicht nach neuen Treibern oder Patches.
An die neue Unity-Oberfläche, obwohl von erfahrenen Ubuntu-Power-Usern zunächst heftig geschmäht, konnte ich mich überraschend schnell gewöhnen. Da geht es mir offenbar anders als vielen Ubuntu-Nutzern aus den letzten Jahren, vielleicht weil ich von Mac und Windows zurückkomme. Unity erwies sich als überhaupt nicht gewöhnungsbedürftig. Es passt bestens auf den Multi-Monitor-Desktop wie auf Notebooks mit den heute üblichen Widescreen-Displays. Ich könnte es mir sogar gut für Tablets vorstellen, wie von Ubuntu-Sponsor Canonical angekündigt. Wie sie es aber auch noch auf Smartphones bekommen wollen, das möchte ich doch erst mal sehen.
Den Umstieg erleichtert hat sicherlich auch, dass ich inzwischen weit weniger als früher auf bestimmte lokale Anwendungen und ein bestimmtes Betriebssystem angewiesen bin. Wer arbeitet nicht längst mehr im Browser als auf dem Desktop? Unabhängiger macht, wenn Cloud-Anwendungen wie Google Docs immer und überall, von jedem Gerät aus zu nutzen sind.
Auf dem Desktop läuft inzwischen Ubuntu 11.10 in der 64-Bit-Version, auf einem Testrechner seit einigen Wochen auch eine Beta von Ubuntu 12.04 „Precise Pangolin“. Die Veröffentlichung der endgültigen Version ist für den 26. April 2012 angekündigt. Ich denke an eine Neuinstallation auf einem SSD-Laufwerk, um noch etwas mehr zu beschleunigen – und darüber bald mehr.