Google News und die Zeitungen
Von Bernd Kling am 17. Juli 2009
Google News lässt jetzt auch lokale Nachrichten gezielter suchen und finden. Die Zeitungen schreien getroffen auf. Ist das eine Lokalposse? Wollen sie gelesen werden oder nicht?
Google gibt zugleich eine einfache Antwort auf die „Hamburger Erklärung“ deutscher Verleger:
Robots.txt
„Trittbrettfahrer Google greift ab“
Was von USA bis Indien schon möglich war, geht jetzt auch in den deutschen Google News. Wer über Erweiterte Suche einen Ort oder eine Postleitzahl vorgibt, bekommt nur Artikel aus dieser Gegend zu sehen. Der Algorithmus erkennt automatisch, so heißt es in der Ankündigung, ob eine Nachrichtenquelle über einen bestimmten Ort berichtet oder nicht. Besonders schwierig sei dabei gefallen, die Stadt Essen richtig zu erkennen.
Es funktioniert, wie erste Tests ergaben, unabhängig von der Quelle der Nachricht. Es muss also nicht unbedingt eine Berliner Tageszeitung sein, die über ein Ereignis in Berlin berichtet, es darf auch die Stuttgarter Zeitung oder die Süddeutsche Zeitung sein.
Mit der neuen Suche nach Lokalnachrichten haben nun wiederum Lokalblätter wie der Berliner Tagesspiegel die allergrößten Probleme. Der beschwert sich schon in der Überschrift: „Google News drängt ins Regionale.“ Der so bedrängte Traditionsblatt zitiert dazu Tagesspiegel-Geschäftsführer Frank Lüdecke:
„Die lokalen und regionalen Nachrichten sind die Domäne der Regionalzeitungen. Es ist nicht hinzunehmen, wenn Trittbrettfahrer wie Google diese Inhalte ohne redaktionelle Eigenleistung abgreifen.“
Mehr Zugriffe für lokale Anbieter
Wie die FAZ vom zuständigen Google-Manager Josh Cohen erfuhr, gehören die lokalen Nachrichten zu den beliebtesten Funktionen in Google News und bringen insbesondere lokalen Anbietern mehr Leser: „Unsere Erfahrungen zeigen, dass die lokalen Anbieter definitiv mehr Zugriffe erhalten, weil sonst eher die großen Anbieter im Fokus stehen.“
Andererseits hatte sich noch vor kurzem Mercedes Bunz, Chefredakteurin von Tagesspiegel.de, über die aus ihrer Sicht ungerechten Algorithmen von Google News beschwert:
„Tatsächlich gibt es meines Erachtens aber ein Problem mit Google – und das sind die Kriterien, nach denen diese mächtige Suchmaschine in ihren News neu gefundene Texte präsentiert. Sie erscheinen mir sowohl undurchsichtig als auch ungerecht. Ein Beispiel: Das Ranking ist nicht neutral, denn kleinere publizistische Einheiten wie ‚Der Tagesspiegel‘ haben keine gleichberechtigte Chance. Augenblicklich haben bei Google News die großen Player und nicht die besseren Texte mehr Gewicht.“
Chef Lüdecke vom Tagesspiegel-Verlag fühlt sich von „Trittbrettfahrer“ Google „abgegriffen“. Chefin Bunz von Tagesspiegel.de hingegen fühlt sich zu wenig beachtet von Google und schmollt.
Können die sich irgendwann entscheiden, ob sie gefunden werden wollen oder lieber doch nicht? Und endlich aufhören, in Selbstmitleid zu baden? Und vielleicht mal anfangen, ihr eigenes Geschäftsmodell in Onlinezeiten zu überlegen? Bitte.
„Zum Verschenken unseres Eigentums gezwungen“
Für die, die lieber nicht gefunden werden wollen, gibt Google als Antwort auf die „Hamburger Erklärung“ von Zeitungs- und Zeitschriftenverlegern die schlichte Antwort:
User-agent: *
Disallow: /
Dieser einfache Eintrag in der Datei Robots.txt sorgt seit über einem Jahrzehnt verlässlich dafür, dass Suchmaschinen draußen bleiben und die Inhalte ignorieren. Damit sowie mit differenzierteren Anweisungen habe auch jeder Verleger die volle Kontrolle darüber, was Suchmaschinen zur Kenntnis nehmen oder nicht.
Rund 170 deutsche Verleger hatten sich in ihrer Erklärung darüber beschwert, sie würden „zum Verschenken unseres Eigentums ohne vorherige Zustimmung“ gezwungen. Josh Cohen von Google weist dezent darauf hin, dass weltweit über 25.000 Nachrichten-Organisationen ihre Inhalte über Google News und andere Web-Suchmaschinen verfügbar machen:
„Sie tun das, weil sie wollen, dass ihre Arbeit gefunden und gelesen wird – Google vermittelt den Websites der Zeitungen jeden Monat über eine Milliarde Besuche. Diese Besuche bieten den Verlegern eine geschäftliche Chance, die Chance, einen Leser mit überzeugendem Inhalt zu gewinnen, Geld mit Werbung zu verdienen oder Abodienste anzubieten. Wenn ein Verleger zu irgendeinem Zeitpunkt den Eindruck haben sollte, dass unsere Dienste keinen Nutzen bringen und wünschen, dass wir ihre Inhalte nicht mehr indizieren, dann können sie das sehr schnell und effektiv tun.“
Google als Popanz
Warum nur sagt mir mein Gefühl, dass kein einziger deutscher Verleger die Suchmaschinen fernhalten will? Sie haben vielmehr eine Scheindebatte losgetreten.
Es gibt eine rationale Erklärung dafür. Sie setzen Google nur als Popanz ein, um privilegierte „Leistungsschutzrechte“ nach dem Vorbild der Musikindustrie durchsetzen. Sie wollen das bewährte deutsche Urheberrecht aushebeln, das ihnen zu autorenfreundlich ist.
(bk)
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Abbildung: Jelene / CC