Gesetz für Internetsperren ausgebremst, Bundespräsident unterschreibt nicht

Von am 28. November 2009  

<em>Filtergesetz ausgebremst</em>

Zensur-Flächenbrand gestoppt?

Die regierende Koalition will das Gesetz per BKA-Erlass zunächst ein Jahr lang nicht anwenden. Bundespräsident Horst Köhler unterschreibt es nicht und will mehr darüber wissen. Ein neues Gesetz könnte das umstrittene Filtergesetz aufheben.

Die „Exklusivmeldungen“ zum Gesetz, das die künftige Arbeitsministerin Ursula von der Leyen noch als Familienministerin auf den Weg brachte, überschlagen sich. Laut Wirtschaftswoche sind sich Innen- und Justizministerium darüber einig, das „Zugangserschwerungsgesetz“, das angeblich gegen Kinderpornografie wirksam sein sollte und als Anlauf zu einer umfassenden Internetzensur galt, ein Jahr lang nicht anzuwenden.

Die Nichtanwendung wurde bereits im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien vereinbart. Nach einer Vorabmeldung des Magazins Spiegel verweigert nun außerdem Horst Köhler die Unterschrift unter das Gesetz und verlangt nach „ergänzenden Informationen“. Erst nach Erhalt derselben wolle er wieder über eine Unterschrift nachdenken, wie der Sprecher des Bundespräsidenten inzwischen bestätigte.

Damit rollt er das Gesetz zur Bundesregierung zurück, auf die zugleich neue Probleme zukommen. Die vorgesehene Methode, ein beschlossenes Gesetz per Erlass durch das BKA nicht anzuwenden, ist selbst innerhalb der Koalition umstritten. Gisela Pilz, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP: „Ich habe größte Zweifel, ob das ein rechtsstaatlich korrektes Verfahren ist. Eine Behörde muss geltende Gesetze einhalten.“

Das Bundeskriminalamt als Staat im Staat, das über die Anwendung oder Nichtanwendung von Gesetzen entscheidet? Rechtsexperten halten das für gar keine gute Idee, die vielmehr gegen das Grundgesetz verstoße. Das zweifelhafte „Zensursula“-Gesetz kann jedoch nicht einfach zurückgezogen werden, da bereits von Bundestag und Bundesrat verabschiedet.

Zu erwarten ist jetzt ein neues Gesetz, das das nicht mehr gewollte und allen nur noch peinliche Gesetz für Internetsperren wieder aufhebt. Der Bundespräsident könnte diese neue Regelung abwarten und ihr sein Plazet geben, so dass das inzwischen unerwünschte Gesetz nicht erst gültig wird.

Umgekehrt hätte die Regierung ein noch peinlicheres Problem. Sie könnte ein vom Bundespräsidenten ausgefertigtes Gesetz nur für unanwendbar erklären, wenn sie es selbst „für verfassungswidrig hält“ – so Professor Ulrich Battis, der an der Berliner Humboldt-Universität in Berlin Staats- und Verwaltungsrecht lehrt.

(bk)

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Abbildung: Lotus R / CC

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