iPad rettet die Zeitschriften nicht
Von Bernd Kling am 29. Dezember 2010 5 Kommentare
Kontinuierlich sinkende Verkäufe bei Magazin-Apps
Deutsche Verlagskonzerne hegen besonders hohe Erwartungen für digitale Versionen ihrer Printpublikationen, die sie als App für das Apple-Tablet absetzen wollen. Besonders schwärmerisch hängte sich Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner aus dem Fenster seines Verlagshochhauses: „Alle haben zu beten und Steve Jobs zu danken, dass er dieses Gerät geschaffen und damit sehr wahrscheinlich die ganze Journalismus-Branche gerettet hat.“
Sehr wahrscheinlich nicht, wie sie inzwischen von ihren ernüchterten US-Kollegen erfahren könnten, denn trotz aller Gebete strebten die Verkäufe ihrer Apps nicht etwa himmelwärts. Sie fielen vielmehr bei allen Magazinen, die gegen Ende 2010 ihre Zahlen meldeten beim Audit Bureau of Circulations.
Wired konnte sogar zu Recht viel erhoffen, nachdem sich die iPad-Nummer im Juni mehr als 100.000 mal verkaufte. Zwischen Juli und September fiel diese Zahl auf durchschnittlich 31.000. Im Oktober und November ging es sogar noch weiter abwärts auf 22.000 bzw. 23.000, während die Tote-Bäume-Ausgabe von Wired noch immer auf 130.000 Exemplare kam.
Vanity Fair fiel von rund 10.500 App-Verkäufen (August bis Oktober) auf 8.700 im November. Glamour driftete von 4.301 digitalen Ausgaben im September um monatlich 20 Prozent bis auf 2.775 im November. GQ gab leichter nach von anfangs 13.000 Downloads auf 11.000 für die November-Ausgabe. Men’s Health startete mit 2.800 ins Frühjahr, um mit 2.000 in den Herbst zu hecheln.
Bemerkenswert an diesen Zahlen ist nebenbei, dass Apples iPad in diesem Zeitraum Rekordverkäufe erlebte und damit eine immer breitere Hardwarebasis für die Zeitschriften-Apps entstand. Die Verleger hoffen noch immer auf bessere Zahlen im Dezember und im Januar, nachdem in der Weihnachtssaison weitere Geräte in die Haushalte ihrer Leser kamen.
Abbildung: Glamour / Condé Nast Digital
Wenn ein „elektronisches Magazin“ weder Mehrwert bringt noch durch vernünftige Umsetzung glänzt und womöglich genauso viel kosten wie eine Print-Ausgabe, dann wundert es mich nicht, dass die Verkäufe stagnieren…
Eindeutiges Signal der Konsumenten: macht interessantere/bessere/günstiger Magazine.
Aber die nächste Generation dieser Magazine wird wohl schon konzipiert.
Die Stückzahlen, die Apple für das iPad 2 in Auftrag gibt, lassen den Content-Anbietern gar keine andere Wahl.
Geschickt wäre natürlich eine technische Basis, die ein Publizieren auch auf anderen Geräten als nur den iOS Devices ermöglich würde… ein ePDF quasi 😉
Gedruckter langweiliger Inhalt bleibt auch auf dem ipad langweilig.
Dazu kommt eine schlicht nicht angepaßte Umsetzung – siehe Tom Kommentar.
Alles plausible Argumente. Ich frage mich aber auch, ob wir als Leser noch die gebündelten Inhalte wollen, die eben durch die Zwänge von Herstellung und Vertrieb als Zeitschrift zusammengefasst wurden. Dazu kommt als entscheidender Nachteil der Magazin-Apps, dass auf die einzelnen Texte nicht verlinkt werden kann – Web und Social Media bleiben außen vor. Ich bleibe skeptisch, was die Aussichten digitaler Zeitschriften angeht. Aber es spricht natürlich auch nichts dagegen, mit besseren Konzepten zu experimentieren.
Bernd hat da noch einen wichtigen Punkt erwähnt.
Ich kaufe ja schon seit Jahren keine Tageszeitung mehr, weil ich mich nur für rund 20% des Inhalts interessiere.
Der Internet User liest selektiv und entscheidet selbst, was ihn interessiert.
Nicht ohne Grund ist http://www.flipboard.com/ so gut angekommen.
—> Bau Dir Dein Magazin selbst.
Das könnte bei weiterem Ausbau von Quellen und guter Integration die Zukunft sein.
Tja, so ist nun mal die Evolution. ‚Survival of the fittest‘ wie Darwin es nannte. Vielleicht gibt’s ja bald von Schleich Verlagsvorstands-Figuren (gleich neben den Dinos) 😉