Microsoft und Murdoch schmieden ein Nachrichtenkartell – ehrlich?

Von am 24. November 2009  

Steve BallmerEine eher ungesicherte Meldung verspricht die große Wende im Geschäft mit Suche und Nachrichten. Kann es eine OPEC für Nachrichten geben?

Zuerst kam Michael Arrington von der Gerüchteschmiede Techcrunch mit dieser Geschichte. Aber wenn es nach dieser Diva unter den Tech-Bloggern ginge, dann wäre beispielsweise Twitter schon zweimal verkauft – zuerst an Google, dann an Apple.

Richtig ernst genommen aber wurde die Geschichte quer durch die Medienwelt, als die Financial Times unter Berufung auf diese geheimnisvolle „Person, die mit der Angelegenheit vertraut“ ist, von einem „Web-Pakt“ berichtete, den Microsoft und die News Corp. von Medienmogul Murdoch angeblich ins Auge gefasst hätten. Dabei hatte diese Zeitung noch hinzugefügt, die Person habe gewarnt, dass sich die Gespräche in einem frühen Stadium befänden.

Verlegerfreuden

Daraus wurde in einer vielfach angebotenen Geschichte von dpa eine Tatsachenmeldung mit der Überschrift: „Verleger begrüßen Bing-Offensive gegen Google“. Bei dieser Nachrichtenagentur wandelten sich Mutmaßungen über Gespräche zu einem „Angebot des Softwarekonzerns Microsoft, Verlagsinhalte im Internet über seine Suchmaschine Bing recherchierbar zu machen“ – exklusiv und mit angeblich guter Bezahlung für die Verlage aus den Tresoren Microsofts.

Insgesamt trudelten allein bei den deutschen Google News um 350 überwiegend redundante Meldungen dazu ein. Tenor der meisten Überschriften: „Microsoft und Murdoch starten Attacke auf Google“ (Spiegel Online).

Laut FT kam der Anstoß von Murdoch, doch habe sich Microsoft inzwischen an andere große Online-Publisher gewandt und versuche sie zu überreden, ihre Sites aus Googles Suchergebnissen zu entfernen. Richtig viel Geld soll es dafür angeblich von Microsoft geben, wie ein Verleger angedeutet habe, nachdem er von Microsoft angesprochen worden sei. Der Vorschlag „messe Content einen gewaltigen Wert zu, wenn Suchmaschinen bereit sind, uns für die Indexierung unserer Nachrichten bei ihnen zu bezahlen“.

Google-Killer-Pläne

Viel wenn, wäre und überhaupt. Ob das nun eine ernsthafte Beschäftigung lohnte oder nicht, die große Debatte setzte ein. Fangen wir mit Mark Cuban an, auch ein Milliardär aus der Branche, der Microsoft einen genialen Plan zur Vernichtung Googles andienen wollte: Einfach den Top 1000 aller Websites jeweils eine Million Dollar schenken, wenn sie sich freiwillig von Google aussperren. Macht zusammen doch nur eine Milliarde Dollar, dann aber fehlen Google wesentliche Suchergebnisse, die Suchenden verlieren das Vertrauen in die Google-Suche, Bing und Yahoo steigen zu wahren Suchkönigen auf.

Ein Stück weit nach dieser Logik würde Microsoft mit dem ventilierten Deal mit Medienkonzernen handeln. Erfahrenere Suchmaschinen-Beobachter allerdings sind skeptisch, was die möglichen Wirkungen und Nebenwirkungen angeht.

Danny Sullivan von Search Engine Land hält eine „OPEC für Nachrichten“, wie es der behauptete Bing-Murdoch-Deal nahelege, für einen lebensfremden Mythos. Zu viele verschiedene Nachrichtenquellen gebe es da draußen, die geradezu ekstatisch reagierten auf Zahlmauern und Sucheinschränkungen von Murdoch und vielleicht anderen Medienkonglomeraten: „Sie wollen den Fluss der Nachrichten durch die Pipelines kontrollieren, von denen sie glauben, dass ihre Nachrichtenkartelle sie kontrollieren. Tatsächlich kommen die Nachrichten immer heraus. Selbst wenn das Kartell festgefügt wäre und alle Teilnehmer Google (oder eine andere Suchmaschine) aussperren, die Nachrichten selbst fließen.“

Murdoch Madness

Jeff Jarvis von Buzz Machine und Autor des Buches „What Would Google Do?“ nennt es nur noch „Murdoch Madness“. Seiner Einschätzung nach wäre es zum doppelten Vorteil Googles, wenn Bing News Corp. für den Ausschluss Googles bezahlen würde:

„Microsoft verliert Geld und gewinnt wenig. News Corp. verliert Traffic, indem es sich von der Suchmaschine mit über 60 Prozent Reichweite in den USA und über 80 Prozent in Großbritannien abwendet zugunsten einer Suchmaschine, die hier 10 Prozent hält. Und das ist nur die Suchmaschine, es berücksichtigt noch nicht die ganz unterschiedliche Beliebtheit von Google und Bing News.“

Während die Murdoch-Medien auf reichlich Traffic verzichten müssten, träfe es Google kaum. Jarvis zitiert aus einer Analyse, nach der sich auf Seite eins der Google-Ergebnisse in 95 Prozent aller Suchanfragen keine Treffer von Verlagsseiten finden. Die erste Stelle holte sich locker Wikipedia mit über 13 Prozent der Suchtreffer.

„Die Zukunft liegt in der Offenheit“

„Die Zukunft liegt in der Offenheit, nicht darin sich abzuschließen“, erklärte Twitter-Mitbegründer Biz Stone gegenüber der BBC (von der Murdoch auch noch behauptet, sie stehle all ihre Inhalte aus seinen Zeitungen), und empfiehlt den Murdoch-Publikationen: „Sie sollten das als Chance sehen, etwas wirklich Anderes zu versuchen und tonnenweise Geld zu machen durch radikale Offenheit statt nur etwas Geld, indem sich sich auf lächerliche Weise verschließen.“

Andererseits sähe Stone aber auch „zu gerne, was geschieht“, sollte der Medienmogul tatsächlich seine Pläne umsetzen, Google von seinen Websites auszusperren.

Viel Meinung, viel Rauch, kein Feuer. Die wahrscheinlichste Erklärung ist ein bluffender Murdoch, der gerne an den Einnahmen Googles partizipieren möchte, nachdem sich seine eigenen Geschäftsmodelle erschöpfen (auch MySpace segelt abwärts, seit es Murdoch kaufte, konnte die Traffic-Zusagen nicht erfüllen, für die Google 300 Millionen US-Dollar Werbegelder garantierte). Andere Erklärungen sind denkbar, fielen aber weniger schmeichelhaft für den 78-jährigen Medienunternehmer Keith Rupert Murdoch aus.

(bk)

Zum Thema bei TecZilla:

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Zum Thema im Web:

Die Zeit

Financial Times

The Register

Search Engine Land

Buzz Machine

Abbildung: Der Tommy / CC (Microsoft-CEO Steven Anthony Ballmer)

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