NokiaWorld: Warten auf MeeGo
Von Bernd Kling am 16. September 2010
Was Nokia (noch) nicht zeigen wollte
Der finnische Hersteller feuerte auf seiner Hausmesse NokiaWorld in London eine Salve neuer Geräte ab, die mit dem in die Jahre gekommenen Betriebssystem Symbian laufen. Zwar hat sich bei Symbian^3 unter der Haube einiges verbessert, während die Oberfläche – so Nokia – ganz bewusst wenig verändert wurde, um den damit vertrauten Nutzern zu gefallen. Definitiv zu bemängeln bei Symbian aber ist der fehlende Upgrade-Pfad, wie ihn aktuelle Smartphone-Betriebssysteme als selbstverständlich kennen.
Symbian fehlt der Upgrade-Pfad
Android und iOS erlauben, sofern es nicht der einzelne Hersteller unterbindet, das Update auf weitere Versionen des Betriebssystems. So etwas war bei Nokia nie vorgesehen. Ein Gerät mit Symbian S60 3rd Edition Feature Pack 1 hatte nie die Chance einer Aktualisierung auf S60 3rd Edition Feature Pack 2.
Der Grund für dieses und weitere Versäumnisse liegt vermutlich darin, dass es bei Nokia immer zuerst um die Hardware ging. Ein früherer Software-Entwickler des Unternehmens beklagt es drastisch aus eigener Erfahrung:
„Hier ist das Problem: Bei Nokia regiert die Hardware. Die Software wird von Software-Gruppen bei Nokia geschrieben. Sie wird dann der Hardware-Gruppe übergeben, die darüber entscheidet, welche Software auf das Gerät kommt und in welcher Umgebung sie läuft. Alle Zeitpläne laufen nach den Terminen der Hardware. Es war nicht ungewöhnlich für uns, dass wir ihnen Code lieferten, der nach ihren eigenen Tests perfekt lief, sie sich dann aber Sachen einfallen ließen wie etwa, den für die Software verfügbaren Speicher auf 25 Prozent dessen zu reduzieren, was ursprünglich vorgesehen war. Anschließend zeigten sie mit dem Finger auf uns, wenn Dinge daneben gingen.“
Bei Nokia regiert die Hardware
So wichtig die Hardware ist, die Entwicklung eines modernen Smartphones muss bei der Software ansetzen, wenn es überhaupt eine Chance haben soll im Markt. Nach drastischen finanziellen Einbußen und noch immer rückläufigem Marktanteil bei Smartphones scheint Nokia das Problem erkannt zu haben. Der neue CEO Stephen Elop kommt vom Software-Unternehmen Microsoft. Rich Green, der neue Chief Technology Officer (CTO), war zuvor bei Sun Microsystems als Vice President für Software verantwortlich. Mit Peter Skillman warb Nokia eben den früheren Chefdesigner von Palm Pre an, um die User Experience von Nokias Smartphone-Betriebssystem MeeGo zu verbessern.
Das scheinen bewusste Weichenstellungen zu sein, die mehr als überfällig sind. Dennoch wurde Nokias große Hoffnung MeeGo während der NokiaWorld nur in einem Zusammenhang erwähnt: Wir kündigen in dieser Woche keine Produkte auf der Basis von MeeGo an.
Eine nicht geringe Überraschung, nachdem Nokia-Manager das zusammen mit Intel geförderte MeeGo schon länger als das kommende Betriebssystem für High-End-Smartphones versprachen. N8 sollte als letztes Gerät der N-Serie mit Symbian laufen, das Linux-basierte MeeGo sei die Zukunft für alle Modelle der gehobenen N-Modelle. Und was wurde daraus?
MeeGo entscheidend wichtig für Nokias Smartphones
CTO Rich Green erklärte Nokias zurückhaltende Informationspolitik zu MeeGo mit besserer Disziplin, was die Präsentation von Roadmap und Plattformstrategie angeht. Nokia wolle hier und heute nur Produkte ansagen, die zur Auslieferung anstehen, nicht aber weitere Produkte, die in der Pipeline sind. Denn wenn die Pläne sich während der Produktentwicklung noch änderten, könnte es Verbraucher wie Technik-Enthusiasten enttäuschen.
Er bestätigte zugleich, wie „entscheidend wichtig“ MeeGo für das Smartphone-Business von Nokia ist. Tatsächlich hänge Nokias Erfolg im Bereich der High-End-Smartphones davon ab, eine dem Desktop ähnlichere mobile Plattform zu bieten, die besser besteht in der Konkurrenz zu Android und iOS. MeeGo sei Nokias Antwort in diesem Marktsegment. Auf Dauer könne MeeGo eine noch breitere Rolle in Nokias Produktpalette spielen, wenn Fortschritte in der Hardware es praktikabel machen, MeeGo auch in Bereichen unterhalb einzusetzen.
Damit wurde Nokias MeeGo-Strategie noch immer nicht besonders deutlich. Das Unternehmen enthüllt voraussichtlich noch in diesem Jahr sein erstes Smartphone mit dem Betriebssystem MeeGo.
Abbildung: Nokia