Und warum baut Google Robocars?

Von am 12. Oktober 2010  

Google erprobt Künstliche Intelligenz

Der Überraschungscoup ist gelungen. Eine kleine Gruppe von nur 15 Entwicklern, geleitet von einem deutschen Robotik-Forscher der Stanford University, schuf heimlich das selbstfahrende Auto, das 140.000 Meilen im realen Straßenverkehr unfallfrei überstand. Alle überschlugen sich vor Überraschung, dann aber kamen die ersten Fragen und nicht nur leisen Zweifel.

Die Erbsenzähler-Fraktion bemängelte die klaren Gewinnaussichten und erklärte das Robot-Fahrzeug zum unnützen Hobby von Google-Gründer Larry Page – die Chefs von Google sollten lieber in jeder freien Minute darüber nachdenken, wie sie Apples iPhone vernichten können. Henry Blodget von Business Insider etwa empfahl Larry Page, wenn er schon alle Probleme der Welt lösen wolle, damit nicht Googles Aktionäre zu belasten und bitte ein eigenes Unternehmen für das Roboter-Auto zu gründen.

Es geht um Künstliche Intelligenz, hielten die Fortschrittsgläubigen dagegen. Die autonomen Fahrzeuge zeigen Googles neuen Schwerpunkt, argumentierte James Temple beim Wirtschaftsdienst Bloomberg. Er stellte sie in Zusammenhang mit Googles Maschinenübersetzung, der Bilderkennung Google Goggles sowie der Sprachsteuerung von Android-Smartphones – alles immer in Verbindung mit Googles Datenzentren und ihrer massiven Kapazität, Daten zu verarbeiten. Aus Googles AI-Forschung könnte sich der lange erwartete „zweite Akt“ von Google entwickeln, vielleicht eine entscheidende Einnahmequelle über das bisherige Kerngeschäft der Suche hinaus.

Google hat Visionen

Für diese Absicht sprechen nicht nur der erhebliche Aufwand, sondern auch überraschend vorlaute Äußerungen aus dem Googleplex. „Wir wollen die dritte Hälfte deines Gehirns sein“, ließ sich Sergey Brin zur Vorstellung der Echtzeitsuche Google Instant vernehmen. Es sollte sich zweifellos wie ein Scherz anhören, aber so ganz unernst kam es dann doch nicht an.

Als Visionär gab sich auch CEO Eric Schmidt bei öffentlichen Auftritten wie zur IFA in Berlin, beschwor eine schöne neue Google-Welt mit einer durch Technologie „ergänzten“ Menschheit. Google werde alle Fragen beantworten, noch bevor sie gestellt werden. Niemand müsse sich mehr verlaufen dank Googles Navigation. Es werde keine Langeweile mehr geben, durch die beständige Vernetzung mit Freunden kein Alleinsein. Und natürlich sollten sich Autos wie Flugzeuge von selbst bewegen, während Google und Cloud Computing für alles andere sorgen.

Bei der Konferenz Disrupt 2010 setzte er noch einmal nach, noch bevor Googles autonomes Fahrzeug enthüllt wurde: „Ihr Auto sollte selbst fahren. Ich finde es erstaunlich, dass wir Menschen noch immer Autos fahren lassen. Es ist ein Bug, dass Autos vor den Computern erfunden wurden.“


Ein selbstfahrendes Auto von Google, auf dem Highway gesichtet im Januar 2010

Nicht zu übersehen ist aber auch, dass in Äußerungen wie diesen eine gezielte Provokation liegt. Schmidt selbst bekannte in einem Interview: „Es gehört zu Googles Grundsätzen, bis genau zu dem Punkt zu gehen, an dem es unheimlich wird, aber nicht darüber hinaus.“

Das selbstfahrende Auto ausgebremst

Zurück in die Gegenwart. In eine Realität, in der das selbstfahrende Auto praktisch noch lange nicht in Sicht ist. Google hat wohl die technische Machbarkeit bewiesen, auch wenn die begleitenden Fahrer immer wieder einmal selbst übernehmen mussten. So konnten sie beispielsweise nicht absolut sicher sein, ob das Fahrzeug auch rechtzeitig den Radfahrer erkennen würde, der mit unvermindertem Tempo eine rote Ampel ignoriert.

Menschen können das auch nicht immer, aber sie haben eine klare Verantwortung, können für Fahrfehler zur Rechenschaft gezogen werden. Selbst wenn es nur zu selteneren Unfällen mit Robocars kommen sollte, wer ist verantwortlich? Der Hersteller, die Softwareentwickler oder am Ende der Fahrer, der sich auf das selbstfahrende Auto verließ?

Es sind soziale und rechtliche Herausforderungen mehr noch als die technischen, die das selbstfahrende Auto aufhalten. Dr. Sebastian Thrun, der das Projekt von Google leitete (und zuvor Google Street View mit entwickelte), nennt es ein Beispiel dafür, dass Google auf Technologien setzt, die sich auf Jahre hinaus nicht auszahlen werden. Selbst besonders optimistische Vorhersagen erwarten den alltäglichen Straßeneinsatz selbstfahrender Autos frühestens in acht Jahren.

Screenshot: Robert Scoble / YouTube

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