Microsofts Kopiermaschine: Wie Bing Google abkupfert
Von Bernd Kling am 1. Februar 2011
Mit unfreiwilliger Hilfe der IE-User
Den Google-Entwicklern fiel ein zunehmender Gleichklang von Suchergebnissen in Microsofts Bing auf, die sich offensichtlich am Vorbild von Googles Suchmaschine orientierten. Sie gingen ihrem Verdacht nach und stellten eine Falle, um die Suchkopierer zu überführen.
Zunächst fiel ihnen auf, dass auch Bing bei falscher Schreibweise die richtigen Suchergebnisse einspielte, wie es Google schon länger vormacht. Bing gab dabei jedoch nicht wie Google auch die korrigierte Schreibweise an, sondern schien auf andere Weise an die tatsächlich gewünschten Suchergebnisse zu kommen. Gleichzeitig fiel auf, dass sich eine zunehmende Übereinstimmung der obersten zehn Suchergebnisse zwischen den beiden Suchmaschinen einstellte.
Das war offensichtlich nicht mit innovativen und eigenständigen Algorithmen aus dem Hause Microsoft zu erklären. Bei Google drängte sich der unangenehme Verdacht auf, dass Microsoft Informationen über das Suchverhalten im hauseigenen Browser Internet Explorer nutzte und sich nach Hause telefonieren ließ, was dessen Nutzer bei Google abfragten und zu welchen Ergebnissen sie kamen. Insbesondere das Vorschlag-Feature in IE und die Bing-Toolbar kamen dafür in Betracht.
Google stellt Bing eine Falle
Um den Verdacht zu verifizieren, setzte Google zu verdeckten Ermittlungen („the Bing sting“) an und nahm ganz gegen eiserne eigene Grundsätze manuelle Eingriffe in rund 100 „künstlichen Suchanfragen“ vor, die in der Praxis gar nicht vorkamen. Diese hatten zuvor keine oder nur unbedeutende Ergebnisse erzielt, weder bei Google noch bei Bing. Google beförderte nun zu diesen Anfragen inhaltlich völlig unsinnige Suchergebnissseiten nach oben. Wenn sie anschließend ganz ähnlich auch bei Bing auftauchten, war es als Beweis anzusehen, dass bei Microsoft eine Kopiermaschine lief anstelle eigener Suchalgorithmen.
Um Microsoft Gelegenzeit zum Kopieren zu geben, führten rund 20 Google-Mitarbeiter diese Suchanfragen zuhause mit IE aus, wobei sie die Vorschlagsfunktion und die Bing-Toolbar aktivierten. Und Bingo – innerhalb von zwei Wochen wurden die ersten bewusst falsch inszenierten Ergebnisse auch bei Bing sichtbar.
Wie Danny Sullivan bei Searchengineland berichtet, bestreitet Microsoft gar nicht erst, was nicht zu bestreiten ist. Es ist nicht einmal illegal, weder im Wettbewerb noch den Nutzern des Internet Explorer gegenüber, die in der Datenschutzerklärung hätten nachlesen können, dass die von ihnen besuchten Webadressen an Microsoft übermittelt werden können.
Amit Singhal, bei Google für den Ranking-Algorithmus verantwortlich, ist nicht amüsiert: „Ich habe in meiner Laufbahn immer nach einer besseren Suchmaschine gestrebt. Ich habe kein Problem mit einem Wettbewerber, der einen innovativen Algorithmus entwickelt. Aber nach meiner bescheidenen Meinung hat Kopieren nichts mit Innovation zu tun.“
Abbildung: Microsoft / Google (Montage: Chromoid)